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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 22.1930

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Heft 12
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Waldmann, Emil: Ein wiedergefundenes Dogenbildnis von Jacopo Tintoretto: Neuerwerbung der Bremer Kunsthalle
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https://doi.org/10.11588/diglit.27696#0356

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kommt es unter dem Namen Tizian vor, was aber nicht viel bedeuten will, da auch
die sonstigen Künstlernamen dieses Auktionskataloges etwas unkritisch anmuten. Auf
dieser Auktion ward das Bild dann von dem Sohne des Sammlers zurückgekauft und
bei dessen Erben befand es sich bis zum Mai 1930. Der Sammler Harris, der hoch-
betagt 1866 starb, hatte schon in jungen Jahren auf seinen vielen Reisen in Italien,
Frankreich, Holland und England Bilder gekauft. Wo er diesen Dogen erworben hat,
läßt sich nicht mehr feststellen. Aber mit naliezu vollkommener Sicherheit darf man
behaupten, daß es ausEngland stammt. Waagen 1 nämlich erwähnt bei der Beschreibung
der Sammlung des Sir Abraham Hume in London unter dem Namen Tintoretto: »Das
Brusthild des Dogen Francesco Donati: Aus seiner mittleren besten Zeit, voll Geist und
meisterlich im tiefen, warmen klaren Ton ausgeführt« (diese Notiz hat Nagler 2 wört-
lich übernommen). Sir Abraham Hume, der Waagen noch selbst in seiner Sammlung
herumführte, ist in dem Erscheinungsjahre von Waagens Buch, 1 838, gestorben. Über
den Verbleib seiner Sammlung, die vor allen Dingen aus Bildern der venezianischen
Schule bestand und in der u. a. auch Tizians erste, noch skizzenhafte Fassung von Diana
und Aktäon, (einstmals in der Galerie Erzherzog Leopold Albrecht, dann Galerie Orleans,
jetzt beim Earl of Harewood) war, ist Näheres nicht bekannt. So ist es kein Leichtsinn,
zu behaupten, das von Waagen gesehene Bild sei mit dem vorliegenden identisch.

Sir Abraham Hume hat, wie jener Tizian zeigt, gut und gelegentlich aus sehr guten
Quellen gekauft. Vielleicht kann man nun den Dogen Francesco Donato in England
noch weiter zurückverfolgen. Waagen ist ja den Quellen englischen Kunstbesitzes
gründlich nachgegangen und hat u. a. auch die Inventare der großen Kunstsammlungen
König Karls I. durchgearbeitet, jener Sammlungen, deren Hauptteil im Jahre 1627
oder 1628 durch Vermittlung des Herzogs von Buckingham den Herzögen von Mantua
abgekauft wurde. Da erscheint in dem von Vanderdoort verfaßten Verzeichnis 3 unter
dem Namen Tintoretto das Porträt eines Dogen in Halbfigur lebensgroß, 2 Fuß 8 Zoll
hoch, 2 Fuß breit. Ohne nähere Bezeichnung des Dargestellten. Nun ist es ja an sich
sehr möglich, daß Karl I. noch ein anderes Dogenbildnis von Tintoretto besaß. Nur:
das Format ist ungewöhnlich und stimmt ziemlich genau, vor allem in der Proportion
genau überein mit den Maßen des Bremer Bildes, wenn man die auf den Keilrahmen
umgeschlagenen Stücke der aften Leinwand einrechnet. 70:60 cm ist kein Format
für ein Bildnis von Tintoretto — das Ungewöhnliche erklärt sich nur bei einem zu-
rechtgeschnittenen Bild. Das ist das Bremer, und so wäre es immerhin möglich, daß
Sir Abraham Humes Dogenbild ursprünglich einmal im Besitz des unglücklichen Karls
von England war. Doch, dies ist nur eine Vermutung, keine Behauptung.

1 Dr. G. F. Waagen: Kunstwerke und Künstler in England. Berlin 1838. II. Teil, S. ig.

2 Nagler: Künstlerlexikon, Bd. XIII (München 1843), S. 256.

3 Dr. G. F. Waagen: Kunstwerke und Künstler in England. Berlin 1837. I. Teil, S. 481 unter

Nr. 8.
 
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