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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 22.1930

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Hugelshofer, Walter: Koerbecke und der Marienfelder Altar von 1457: ein Beitrag zur westfälischen Malerei
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https://doi.org/10.11588/diglit.27696#0408

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artigen Stil Koerbeckes, der in Westfalen sonst olme Vorläufer ist, von Bedeutung war.
Anläßlich meines früheren Aufsatzes zum Thema Koerbecke hatte ich meinen ver-
ehrten Freund Dr. Feurstein, Stadtpfarrer in Donaueschingen, gebeten, sich zur Frage
der Anlage des Marienfelder Altars zu äußern. Sein Rekonstruktionsversuch findet sich
im oben zitierten Text abgebildet. Hätten wir damals schon so viele Tafeln wie heute
gekannt, so hätte einiges anders ausfallen müssen. Die Gesamtanlage bleibt sich wohl
so ziemlich gleich: in der Mitte eine große Darstellung im Schrein, auf den Flügeln
je vier Tafeln in je zwei Zeilen übereinander. Einige Szenen müssen nun durch in-
zwischen bekannt gewordene ersetzt werden, wodurch sich auch Verschiebungen in
der Aufeinanderfolge ergeben. Die Anordnung dürftewahrscheinlichsogewesensein:
Innenseite: Verkündigung, Heimsuchung?, Geburt, Tempelgang.

Beschneidung?, Darstellung im Tempel, Himmelfahrt Christi, Himmelfahrt Mariae.
Außenseite: Gefangennahme, Christus vor Pilatus, Geißelung, Verspottung.

Kreuztragung, Kreuzigung, Grablegung, Auferstehung.

Dabei fehlt bei der Innenansicht in jeder Zeile eine Tafel. Die Umrahmung der übrigen
Darst.ellungen ist jeweils die gleiche. Der Hauptunterschied zwischen dem früheren
Vorschlag und dem heutigen betrifft das verschollene oder wohl verlorene Mittelstück.
Durch das Bekanntwerden der Kreuzigung in Aachen hat sich hier die Situation über-
raschend geändert. Es knüpfen sich an dieses Bild Fragen, die von großer Bedeutung
werden könnten. Nordhoff, auf dessen zum Teil nicht mehr kontrollierbaren und sonst
nicht immer sehr zuverlässigen Mitteilungen von 1889 die ganze Koerbecke-Literatur
fußt, schreibt nämlich im Anschluß an die bis 1715 fortgeführte Klosterchronik des
Paters Hartmann, das Mittelstück des 1670 abgebrochenen Marienfelder Altars sei eine
große, vielfigurige Kreuzigung gewesen. Entweder irren Hartmann-Nordhoff oder sie
haben Recht. Im ersteren Fall mögen dann weiter die hier mitgeteilten Tafeln als
Teile des ehemaligen Marienfelder Hochaltars gelten, im anderen aber, wenn wirklich
der Schrein eine Kreuzigung enthielt, gehören alle die i4Tafeln nicht zum Marien-
felder Altar und die ganze — ohnelvin schon sehr schwach gebaute Koerbecke-These
stürzt in sich zusammen. Die Kunstgeschichte, allzu froh, eine Gruppe von Bildern, die
sich stilkritisch zusammenfügen läßt, aus der Anonymität zu entreißen, ist sehr willig
dem Vorschlag gefolgt, ihr den Namen des in Münster ansässigen Malers Johann Koer-
becke zu geben. Kritische Prüfungen dieses Vorschlages sind mir nicht bekannt ge-
worden. Und doch beruht die ganze These Nordhoffs lediglich darauf, daß dieser ur-
kundlich belegbare Koerbecke unter dem Abte Arnold von Marienfeld für dessen Stift
zwei- oder dreimal Malereien lieferte, die heute verloren sind. Mit dem Hochaltar
wird sein Name nie in Verbindung genannt. Hier bleibt der Münsterer Lokalforschung
eine dankenswerte und notwendige Arbeit zu leisten. Ich fürchte fast, daß sie negativ
ausfallen könnte und daß es sich in Zukunft als vorsichtiger erweisen wird, den Maler
des Marienfelder Hochaltars als »Pseudo-Koerbecke« zu bezeichnen. Es wird einigen
vielleicht leid tun, aber es ist doch besser, etwas Vorläufiges als etwas Unrichtiges zu
behaupten. Der Qualität der Werke tut solche Feststellung ja keinerlei Abbruch. Und
ein Niederdeutscher, wohl auch ein Westfale dürfte der Meister immerhin gew'esen
sein. Nicht so ganz ausgemacht dürfte dagegen die Herkunft aus Münster sein. Man
hat am Ende doch auch an Soest, wenn nicht gar an Dortmund zu denken. Dagegen
neige ich zur Ansicht, daß die Tafeln doch aus Marienfeld kommen. Denn einmal
drückt sich der Kronzeuge Pater Hartmann anscheinend nicht sehr bestimmt über das
Mittelstück aus, das er ja direkt kaum mehr gekannt haben dürfte. Und dann sprechen
insbesondere die Wappen auf der Verkündigung in Chicago auf alle Fälle für ein
Zisterzienserstift, was für Marienfeld zutrifft. Von diesen wichtigen Wappen jedenfalls
wird die Untersuchung nun auszugehen haben. Die Bemühung lohnt sich.

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