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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 22.1930

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[Heft 13/14]
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Roh, Franz: Kunst der Gegenwart München 1930
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https://doi.org/10.11588/diglit.27696#0427

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zyklen bekannt wurde. Masereel überzeugt am meisten im Aquarell. In der eigentlichen Malerei, ob-
gleich hier manchmal kraftvolle AVürfe vorliegen, haftet oft noch etwas Monotones und manche Farb-
klänge sclieinen mir bedenklich. In seiner reinen Graphik klingt manchmal noch ein Schema an, obgleich
Masereel im ganzen immer volltönender und naturnaher wurde.

Die J uryfreien haben ihre Existenzberechtigung im Münchner Kunstleben erwiesen. Ihre neulich er-
öffnete eigene Schau, dazu ihr beträchtlicher Beitrag zum Glaspalast, der so ausgewählt war, daß er
sicli neben der Neuen Sezession durchaus lialten konrite, ilire internationale Schau abstrakter Malerei,
die gerade in München zu zcigen mulvoll war, schließlich die Ausstellung der Brüder von Kreibig
sind gute Etappen auf dem Wege. Erwin von Krcibig zeigte sich als eine positive Kreuzung von
Faschingsphantastik und wirklicher Dämonie. Gute Farbklänge und improvisatorischer Zugriff zeich-
nen seine Malereien aus. Diese erste Kollektivausstellung wird ihn zu einem der beachtetsten Maler
Münchens machen. Daneben zeigte sein Bruder Ericli von Kreibig Proben seiner Architekturplastik.
Enttäuschend muß icli die Arbeiten von Rutli Schaumann nennen, die als katholisierende Dichte-
rin bisweilen innige Töne fand, als Zeichnerin und Bildhauerin aber über einen ästhetisierenden,
empfindsamen Ekleklizismus nicht liinausragt und einer gestrigen Manier ergeben ist. Wieviel bestän-
diger ist da die Innigkeit, die die zeichnerischen Kleinmeister » um 1800« ausstrahlen, denen
(unter diesemTitel) das Graphische Kabinett (Leitung Franke) eine schöne Ausstellung widmete. In
mächtigem Kontrast zu dieser Kleinwelt befindet sich dic Schau neuer Pariser Bilder von Beckmann ,
jetzt in gleicher Stelle sichtbar und von fortdauerndem, kraftvollem Zugriff dieses auch koloristisch
nicht festgelegten Malers zeugend. Eine großo Beckmann-Schau in Basel wird folgen. Das Graphische
Kabinett aber wird danacli lloualt zeigen, der in Deulschland noch niemals in Zusammenhange auf-
trat. Dieser Kunsthandlung Münchens fällt nacli dem Tode Casparis und der wahrscheinlichen
Auflösung seines Salons die kulturelle Ilauptaufgabe der Aufzcigung wichtigcr europäischer Werte
zu. Möge man innner bedenken, was uns dabei im menschlichsten Sinne nottut.

Schließlich sei nocli der großen internationalen Fo t o a uss t e 11 un g gedacht (Ausstellungspark). Sieist
ein Hauptereignis des Münchner Sommers, zeigt mehr von neuem Sehen und von neuer Einstellung, als
dies ganze Folgen von Kunstausstellungen tun. Der wertvolle Grundstock der einstigen Stuttgarter Schau
»Film und Foto«, der mit zugrunde liegt, mußte leider sehr bcschnitten werden. Dafür ist viel damals
noch Unbekanntes hinzugekommen. Auch unsere geschichtliche Abteilung, die kurzen Querschnitt
durch die Frühentwicklung legt, hat die Stuttgarter Ausmaße weit überschritten. Der Fotoapparat wird
bald so allgemein verbreitetes Mittel zur Fixierung optischer Erlebnisse werden, daß er selbst in die
Schulen gelangen wird. Unkundige werden wie Analphabeten wirken. Gerade deshalb ist eine Muster-
schau auf diesem Gebiet von unabsehbaren Folgen fürs optische Niveau aller Volksschiclitcn sowie für
die Selbsttätigkeitsbezirke aller »Laienkunst«. Je mehr nämlich Menschen von einer Sache selbsttätig
ergriffen werden können, deslo wichtiger ist diese Saelie menschlich. Dies wird jeder Ileutige zuge-
stehen, soweit er die Schranken eines verengenden Individualismus der vorigen Gcneration überwunden
hat. Von »Fotoinflation« zu sprechcn, hieße jcnes von vornlierein Kollektive, das der neuen Fotobewe-
gung anhaften soll und muß, nicht verstanden haben.

Glette

Neue Sezcssion, Miinchen, Glaspalast

Landschaft
 
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