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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 22.1930

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Het 21/22
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.27696#0604

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ten hundert Jahre. Die Anordnung der Ausstel-
lung steht unlcr dem Zeichen des »Problems der
Generationen«, und zwar ist sie so getroffen, daß
sie jeweils in einem Jahrzehnt geborenen Künst-
ler zu einer Gruppe zusammengenommen sind.
Das ist sehr lehrreich; es gibt dem Besucher An-
regung und Stoff zum Nachdenken, wenn er Corot
in der Generation der Gericault, Delacroix und
Gudin findet oder sich klar machen muß, daß
Gauguin zwanzig Jahre älter ist als Matisse. Dank
dieses Aufbaues werden so die mannigfachenüber-
lagerungen auf dem entwieklungsgeschichtlichen
Wege zum Impressionismus und Kubismus deut-
lich, die sonst so vielleicht nicht hätten herausge-
stellt werden können. — Der Ivunstvereinhatseine
llerbstausstellung eröffnet. Sie steht wie jedeAus-
stellung, die sich mit dem Phänomen der bilden-
den Kunst der Gegenwart auseinandersetzt, unter
der Wirkung der heute im Formalen herrschen-
den Unentschiedenheit. Das Gesicht der Ausstel-
lung wird — sieht man von einigen unwesent-
liehen Erscheinungen ab — bestimmt, wenn man
so sagen darf, von vier Richtungen. In erster Linie
ist da ein sehr stark an Frankreich, besonders an
Cezanne, orientierter Postimpressionismus. Die
»Neue Sacldichkeit« nimml in einem etwasroman-
lisch verbrämten Gewande einen weiten Raum ein.
Weiterhin machen sich an vielen Slellen surreali-
stische Absichten geltend, und an vierter Stelle
stehen die abstrakten Gestaltungen. Die Ausstel-
lung, wie jede Ilerbstausstellung des Kunstvereins,
auf Hannoversche Künstler im weitesten Sinne
allerdings beschränkt, vermittelt als Ausschnitt
cinen vollständigen Eindruck von dem, worum es
heute in der bildenden Kunst geht. St.

KÖLN

Die G a 1 e r i e Dr. Becker-Newman zeigt neue
Arbeiten des vor einigen Jaliren nach Köln über-
gesiedelten Hamburger Malers Ahlers-Hestermann.
Das Nachleben des Impressionismus kämpft, de-
fensiv, in den besten dieser Malereien mit den
Formmächten der Gegenwart, ein Zeichen, daß
der Künstler in dcr rheinischen Atmosphäre leben-
dig blieb.

Im Kunstgewerbemuseum wurde eine Ausstellung
zeitgenössischen französischen Kunsthandwerkser-
öffnet, die wie ein Appendix wirkt zum Musee
des Arts decoratifs in Paris; typisches Frankreich
mit allem Gulen, Hübschen und Iloffnungslosen.

MÜNCHEN

Vom Münchner Ilerbst sei folgendes zitiert. Gra-
phisches Kabinett (Leitung I'ranke) zeigte G e o r -
g e s R o u a u 11. Dankenswert, den bekannten fran-
zösisclien Meister, der in Deutschland nocli kaum
zu sehen war, uns vorzuführen. Hätle jedoch um-
fassender geschehen müssen. Der Ausschnitt der
Werke, der uns vorlag, beeindruckte höchstens in
der Graphik. Die Malerei erschien bleiern, wenig

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reich, sehr wenig neu im Farbklang. EineEnttäu-
schung das Ganze. — Daraufhin moclerneBild-
wirkereien an glcicher Stelle. Beachtenswerter
Versuch zu zeigen. wie sich neueste Kunst mit
dieser Technik auseinandersetzt. Bild-wirkerei«,
heute jedoch vielleicht ein Widerspruch in sich:
wenn irgendwo abstrakteste Gestaltung heute
erwünscht, dann hier. Trotzdem manches Fes-
selnde. Vor allem Johanna S c h ü t z -W o 1 f f!! —
Bei Caspari, der seinen schönen großen Saal ab-
gab, der nun aucli weitere unlere Räume schließt,
um sich in scin fiir Bilder sehr wirksames Mezza-
nin zurückzuziehen: Malerei und Graphik von
Tagore. Wenig dabei, das man beachten würde,
wenn andrer Name hier erklänge. Meist metaphy-
sizierendes »Kunstgewerbe« nur. — Dann AquareRe
von Unold (München). Sympatliische, ausgewo-
gene, bescheidene Arbeiten vom Sommeraufent-
lialt am Meer. RäumRche Entwicklung jeweils
vom festigenden Ilorizont der See aus, mit Ver-
suchen der Großräumigkeit bei geruhsamer Idvl-
lik. — Die Juryfreien tätig. Wenn sie neben
Aufweisungen ihrer Mitglieder, die meist Niveau
halten, von Zeit zu Zeit allgemein interessierende,
europäische Ausstellungen einstreuen, werden
sie Attraklion behalten. Nicht schlecht die Kol-
lektivausstellung der ganzen Gruppe: spar-
sam, möglichst kontrastreich ausgewählt. Genannt.
eien Fritz Burckhardt (Mädchen am Fenster), Ernas
Dinklage (Fabrik), Chr. Heß (Neptun), Scharl, Pa-
nizza, Nerud,-G. Graßmann, II. Stahl. — Sammel-
schau Max Braumann (Galerie Ileinemann)
enttäuschend. Wie könnte diese großrär.mige Ga-
lerie in schönster Lage Miinchens nützeri, wenn sie
sich weniger eklektisch in punktoGegenwartorien-
tierte!

Weiteres zum Münchner Herbst nächstes Mal.

Roh

WIEN

Sezession: Anton Faistauer
Der Sehnsuchtswunsch Faistauers, einmal ein Aus-
stellungsgebäude zu erhalten, um sein Lebenswerk
vor aller Augen auszubreiten, sollte sich erst nach
seinem Tod erfiillen. Die Schau, die Freunde und
Weggenossen zu seinem Gedächtnis in der Sezes-
sion veranstalteten, umreißt deutlich die Rolie
Faistauers (mit dem einer der ßesten der jiingeren
Kiinstlergeneration dahingegangen ist) in der öster-
reichischen Kunst, weist seine Verbundenheit mit
Vergangenheit und Gegenwart.

Ein Salzburger Kind, Spätimpressionist gleieli den
meisten bedeutenderen Malern Jung-Österreichs,
offenbart sich Faistauer gleichwohl in allen sei-
nen künstlerischen Äußerungen als ein Nachfahre
der großen österreichischen Barockmaler. Nicht
bloß in dem schweren, gesättigten, branstigen Ko-
lorit, das seinen Arbeiten die längste Zeit eigen-
tümlich ist, deutlicher noch in der Gebärde, der
Pathetik der Gestalten, dem Schwung seiner gro-
ßen Kompositionen. Barock ist auch die Auffas-
 
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