Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 22.1930
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https://doi.org/10.11588/diglit.27696#0634
DOI issue:
Heft 23/24
DOI article:Henkel, Max Ditmar: Die Sammlung A. Bonger in Amsterdam
DOI Page / Citation link:https://doi.org/10.11588/diglit.27696#0634
die Sammlung des Herrn A. Bonger in Amsterdam eine Sonderstellung ein. Denn sie
vereinigt einige der wichtigsten Vertreter der französischen Malerei aus dem letzten
Viertel des vorigen Jahrhunderts und hält dadurch einen ganz bestimmten Moment
der Kultur unserer Zeit fest. Die Werke wurden erworben, als die Künstler noch keine
Beriihmtheiten, sondern noch Werdende und Ringende waren. Was Fodor und auch
ein Mesdag sammelten, waren irgendwie schon geeichte und im Kunsthandel fest be-
wertete Größen; Herr Bonger folgte dagegen ausschließlich seinem persönlichen Ge-
fühl und war ganz unabhängig vom Kunsthandel.
Als er 1879 als junger Mann nach Paris kam, war er vom lebhaftesten Interesse für
alles, was hildende Kunst betraf, erfüllt, und die erste große Ausstellung der Impres-
sionisten in der Rue des Pyramides (April 1880) hat einen unauslöschlichen Eindruck
in ilirn hinterlassen. Kurz darauf brachte ihn der Zufall mit. dem Kunsthändler
Theodor van Gogh, dem Chef des Zweiggeschäftes des Hauses Goupil am Boulevard
Montmartre zusammen, wo die Führer der Impressionisten damals aus- und eingingen,
und durch Theodor lernte er gelegentlich einer gemeinsamen Reise von Paris nach
Nordfrankreich, Belgien und Brabant 188g im Pfarrhause zu Nuenen auch Theodors
Bruder Vincent kennen.
Erschöpft, körperlich und geistig, unterernährt, mit eingefallenen Backen und hohl-
äugig langte Vincent im Februar 1886 in Paris an, und so hat er sich auch in einem
ergreifenden Selbstbildnis (Abb. 1) festgehalten, das im Arbeitszimmer von Herrn
Bonger hängt. Es ist schon in ganz lichten und kräftigen Farben gehalten, hellgrau
der weiche Filzhut, hellblau die etwas auffallende Krawatte, hellgrau dann wieder der
Paletot und die Weste, von der nur ein kleiner, von einem koketten roten Band ein-
gefaßter Ausschnitt sichtbar ist, und dazwischen sitzt der rotbärtige, spitze Kopf mit
Abb. 2. Van Gogh
Bauernhaus in Auvers. 1890
vereinigt einige der wichtigsten Vertreter der französischen Malerei aus dem letzten
Viertel des vorigen Jahrhunderts und hält dadurch einen ganz bestimmten Moment
der Kultur unserer Zeit fest. Die Werke wurden erworben, als die Künstler noch keine
Beriihmtheiten, sondern noch Werdende und Ringende waren. Was Fodor und auch
ein Mesdag sammelten, waren irgendwie schon geeichte und im Kunsthandel fest be-
wertete Größen; Herr Bonger folgte dagegen ausschließlich seinem persönlichen Ge-
fühl und war ganz unabhängig vom Kunsthandel.
Als er 1879 als junger Mann nach Paris kam, war er vom lebhaftesten Interesse für
alles, was hildende Kunst betraf, erfüllt, und die erste große Ausstellung der Impres-
sionisten in der Rue des Pyramides (April 1880) hat einen unauslöschlichen Eindruck
in ilirn hinterlassen. Kurz darauf brachte ihn der Zufall mit. dem Kunsthändler
Theodor van Gogh, dem Chef des Zweiggeschäftes des Hauses Goupil am Boulevard
Montmartre zusammen, wo die Führer der Impressionisten damals aus- und eingingen,
und durch Theodor lernte er gelegentlich einer gemeinsamen Reise von Paris nach
Nordfrankreich, Belgien und Brabant 188g im Pfarrhause zu Nuenen auch Theodors
Bruder Vincent kennen.
Erschöpft, körperlich und geistig, unterernährt, mit eingefallenen Backen und hohl-
äugig langte Vincent im Februar 1886 in Paris an, und so hat er sich auch in einem
ergreifenden Selbstbildnis (Abb. 1) festgehalten, das im Arbeitszimmer von Herrn
Bonger hängt. Es ist schon in ganz lichten und kräftigen Farben gehalten, hellgrau
der weiche Filzhut, hellblau die etwas auffallende Krawatte, hellgrau dann wieder der
Paletot und die Weste, von der nur ein kleiner, von einem koketten roten Band ein-
gefaßter Ausschnitt sichtbar ist, und dazwischen sitzt der rotbärtige, spitze Kopf mit
Abb. 2. Van Gogh
Bauernhaus in Auvers. 1890