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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 22.1930

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Heft 23/24
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Kunst-Literatur
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https://doi.org/10.11588/diglit.27696#0655

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deutschen Bauerngläser des 18. und 19. Jahrhun-
derts. Erst um die Mitte des 18. Jahrhunderts setz-
ten sich die graviertcn und geschliffenen Gläser
durch. 1763 wurde als bedeutendstes aller Unter-
nehmen die Fabrik Bakhmeteff gegründet, die bis
191/1 florierte. Deren qualitätsvollere Arbeiten
werden zum J’eil durch Anlehnung an deutsche
Vorbilder crklärbar. Ansprechender aber als diese im
ganzen unoriginellen und flau geschnittenen Gläser
des 18. Jahrhunderts sind die der Empirezeit vor-
nehmlich nach 1812, Erinnerungsstücke mit den ge-
malten Porträts russischer Feldherrn, durch die
Mannigfaltigkeil kraf tvoller Formen ansprechend.
Eine gewissenhafte, zuverlässige Katalogbeschrei-
hung, zu der die flott plaudernde Einleitung in
reizvollem Gegensatz steht und eine ausgezeich-
nete Bildwiedergabe machen Verfasserin und Ver-
lag gleich Ehre. Heinrich Kohlhaußen

A.PORTIER et FR.POAGETTON: LES ARTS SAU-
VAGES. I.Bd.: » A frique«; il.Bd.: »Oceanie «.
Zwei Alben in-4° mit 5oTafeln in Heliotypie, da-
von vier, bzw. fünf in farbiger Wiedergabe; mit
kurzen Einführungen. Verlag Albert Morance.
3o et 32, rue de Fleurus, Paris. (Je 25o Fr.)

I11 zwei Großformatbänden werden hier in vor-
züglichenLichtdrucktafeln ausgewählte afrikanische
und ozeanische Kunstwerke vorgeführt, die in Ori-
ginalgröße reproduziert sind. Da der äußere Um-
fang solcher Publikationen durch ilire Ilandlich-
keit notwendig beschränkt wird, kommen leider
viele Arbeiten aus dem Kreise der Naturvülker in
Fortfall, die man unbedingt zu ihren Haupt-
leistungen zählen muß. Immerhin haben die Ver-
fasser ein mannigfaches Material zusammengestellt,
daß großenteils eine so kostspielige Publikation
schon lohnt. Freilich hätte man besser getan, irn
Afrikaband das ziemlich minderwertige Dahomey
durch Kameruner Stiicke zu ersetzen. Bedauerlich
ist auch das Mißverständnis der Weberollen als
»polissoir«. Der Südsee-Band ist gleichmäßiger ge-
arbeitet und hält, his auf wenige Stücke, ein durchaus
gutes Niveau inne.— Abgesehen von den nicht zahl-
reichen Ausstellungen aber isl diese monumentale
Puhlikation dankhar zu begrüßen. Eckart v.Sydow

BRODER CHRISTIANSEN: DIE KUNST. Fel-
sen-Verlag, Buchenbach i. Br. 1930.

Man kann sagen, daß das Buch von Christiansen
nacli langen Jahren wieder die erste Kunstästhetik
ist, die das Wesen der Kunsterscheinung reinlich
klärt, ehe sie zur Wertung und Deutung des
Kunstwerks übergeht. Intuitive Kunsterfühlung ist
philosophisch gegründet. Formästhetik, Einfüh-
lungs- und Ausdrucksästhetik gehen in die von
Christiansen gewonnene Synthese ein. Stoff und
Technik sind nicht Wesen des Kunstwerks, son-
dern Mittel, aber sie treten mit »hintersinnlichen
Qualitäten in den Sinngehalt eines Werkes« ein.
Dieser Sinngehalt ist aber keineswegs identisch mit

dem Inlialt. Von selbst ergeben Christiansens klare
Abgrenzungen den Unterschied zwischen Kunst
und Können.

Den Sinngehalt der Kunst richtig zu deuten,
versucht der Autor, in den folgenden Kapi-
teln die kunstlogischen Gesetze des Werks auf-
zudecken. Er findet in jeder Kunstäußerung ein
Systern von Gesetzlichkeiten des Gefüges (»Span-
nungen« und »Gleichklang«), weiter die Sinnele-
mente der Kunst und schließlich den Sinngehalt
eines Kunstwerks. Das Rätselhafteste, die Frage
nach demWarum der Kunst, muß ungelösthlciben
wie die Frage der Philosopliic nach dem Warum
des Lebens. Christiansen begnügt sich mit dieser
Definition: »Der Sinngehalt derKunst ist einWil-
lensspiel, das der Empfänger für den Augenblick
des Erlebens vorzieht dem eigenen Leben«.

In diesem Buche wachsen am Rande des Haupt-
tlremas Erkenntnisse, die tiefe Wurzeln im Boden
des Lebens haben. Man fühlt hei manchen Be-
griffsprägungen, bei vielen erschüttemden Asso-
ziationen eine Verwandtschaft mit der geistigen
Art Schopenhauers. So sind wie bei diesem Großen
Bildungs- und Gefühlserlebnis, Sein und Geist,
schöpferische, fruchttragende Einheit geworden.

Sascha Schwabacher

BERNHARD HOETGER BILDIIAUER. Heraus-
gegeben von Albert Theile, Angelsachsen-
Verlag. Bremen ig3o.

Der außerordentlich schön gedruckte und einge-
richtete Band führt auf 4o Tafeln frühe und
jüngste Ergebnisse dieser ungestümen Produktivi-
tät vor, weite Gebiete genialisch-rastloser Wand-
lung absichtsvoll überspringend, um die erregen-
den Gestaltungen der letzten Jahre nachdrücklich
den ähnlich gesinnten, sehr kiihn und empfindungs-
groß einsetzenden Anfängen zu verknüpfen. Da-
mit soll das Dazwischenliegende schwerlich ver-
leugnet, aber doch dem nun Erreichten eine
höhere Gültigkeit und Selbstverbundenheit zuer-
kannt werden. Hoetger, dessen ungewöhnliche Po-
tenz zeitweilig in eine Art von Unersättlichkeit
umgeschlagen schien, immer anderer Vorbilder
Weisung zu empfangen, hat auf vielen suchenden
Umwegen zu seiner tiefen Ursprünglichkeit gefun-
den. Für sie zeugen atembenehmend jene Köpfe,
deren beuliges Ausquellen soviel Schauder desVer-
greisens, soviel erloschenen Glanz und mensch-
liche Verkrümmung in sich faßt, jene in Müdig-
keit und rastloser Frage schmcrzhaft in sich hän-
gcnden Körper, die Luftwurzeln gleichen.

Den l’afeln sind einige Aufsätze mitgegeben: maß-
los schwärmende Worte des Herausgebers J’heile,
ein berauschter Versuch Kasimir Edschmids, des
Transzendentalen dieser Kunst habhaft zu wer-
den, Freundessätze von Ludwig Roselius, frühe
Charakteristiken von Vauxcelles und Osborn, ein
Hinweis Biermanns auf die Kontinuität dieser
Schaffensfiille. Wolfradt

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