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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 30,3.1917

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Heft 13 (1. Aprilheft 1917)
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Avenarius, Ferdinand: Kriegsanleihe und Geistesarbeiter
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https://doi.org/10.11588/diglit.14297#0018

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Sinn, uns deutschen Kopfarbeitern, die wir das logische Denken nicht auf«
geben und an den Sieg des nur psychologischen Denkens in der Welt so
ungern glauben wollen.

Wer's nrit der geistigen Arbeit ernst nimmt, ist niemals tzurrapatriot
oder Chauvin. Der Kopfarbeiter erkennt seine Pflicht, die Kriegspsychose
auch in sich selbst zu bekämpfen, auf daß sie nicht verquirle, was zum Klar«
sehen auseinander gehört, auf daß er also besonnen bleibe, damit sachlich
und damit überlegen. Wir Kopfarbeiter blicken nicht über die Grenzen
wie im Rausch, als wäre dort plötzlich rechter tzand linker Hand alles ver»
tauscht und nichts mehr von Wert. Wir lehnen den Rat der Kurzsichtigen
ab, Edelgut an Geist nur deshalb zu meiden, weil es von drüben kommt,
wir haben längst vor dem Kriege das Minderwertige abgelehnt, das man
schätzte nur, weil es „weither war", aber wir schauen auch jetzt noch nach
allem Besten aus, ob es etwa auch unsre liebe tzeimat bereichern, ob es
etwa uns selber befruchten könne. Wenn das Sichverlieren an Fremdes
von je die Schwäche der deutschen Schwachen war, so war ja das Sichnähren
an umzuformendem Auslandswert von je eine Stärke der deutschen Starken.
Wenn wirklich eine glücklichere Zeit den Morgen großen Völkerfriedens sehen
kann, so soll durch deutsche (Lnge kein Kulturgut verkommen oder verkümmert
sein, das irgendwo in der Welt für die Menschheit erwachsen rst.

Aber wir wissen auch, was wir Deutschen im Ganzen sind. Nur vom
Wissen rede ich jetzt, nicht vom Fühlen. Nicht davon, daß wir unser
Land, unsern Staat, unser Reich lieben, diese Gebilde, die zwischen
mißgünstigen Äbermächten durch Iahrhunderte der Arbeit und Not der
Kargheit abgerungen, bebaut, geschützt, gepflegt und schließlich zu dem ge-
macht worden sind, was jetzt der halben Welt die Stirne bietet — nicht
davon rede ich, daß wir das „Deutschland Weimars" nicht wieder im poli«
tischen Iammer des Ländchenbündels Deutschland von ehedem wollen. Wir
wissen jetzt auch, was wir dem Ganzen sind. Auch das hat der Krieg
uns gelehrt, daß im Kampf um die Weltmacht von England und Frank-
reich her auch das Sonnenlicht umgefälscht werden kann, daß jegliches
Ideal, das die Lippen und Federn preisen, getrost verschachert werden kann
und daß man derlei als patriotische Arbeit ansieht. Wir wissen, daß,
wenn Deutschland unterliegt, die Weltlüge siegt. Und nicht nur die
eine, daß wir Deutschen Friedensstörer, tzunnen und Schurken seien, die
Feinde des menschlichen Geschlechts, von denen alle Biedern unter der
Sonne sich fernhalten müßten. Anterliegen wir, so siegt überhaupt der
Geist, dem Wahrheit und Sittlichkeit nicht Kräfte sind, um deren All--
gemeinherrschaft die Menschheit ringen m uß, sondern dem all das Reden
davon nur Mittel ist zu irgendwelcher Macht — taugt da die Wahrheit nicht
mehr, so dreht man sie eben ab, wie eine Lampe, wo man Dunkel wünscht.

Nüchtern wie bei tzandelsgeschäften gesprochen: im Interesse der Mensch-
heitskultur liegt der deutsche Sieg, weil das Interesse an Sachlichkeit
von allen Kriegführenden bei den Deutschen am größten ist. Wer's ernst
mit seinem Idealismus nimmt, jetzt muß er deshalb auch Praktiker des
Tages sein. Nicht nur als Deutscher, nein, als Kulturarbeiter am Mensch»
heitsgute schlechthin — zeichnen wir Kriegsanleihe. A

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