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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 30,3.1917

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Heft 17 (1. Juniheft 1917)
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Bonus, Arthur: "Komm zu uns nieder, Schöpfergeist!"
DOI Artikel:
Schumacher, Fritz: Was ist "Stil"?
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https://doi.org/10.11588/diglit.14297#0242

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machen. Ob sie vielleicht nur eine kleine Werkstatt oder wenig Acker
besaßen oder gar nur Sklaven im Haufen waren, so müßten doch sie
selbst die Weltumschaffung und die Menschheitvereinigung beginnen. Sie
sandten Grüße und Boten in weite Fernen, in fremde Völker und grüßten
sich mit dem Gruß des Friedens und der Weltverwandlung.

G

.^v^r ir Neueren haben aus allen möglichen Menschenangelegenheiten Fach-
wissenschaften gemacht, und geben uns gar zu leicht damit zufrieden,
daß diese Dinge dadurch erledigt und unsrer Entscheidung entnommen
feien. Wlr brauchen wieder etwas von der Aberzeugung, daß der Geist
Schöpfer ist, von der Einsicht, daß auch der besterzogene und bestmeinende
Fachmann nichts Lun kann, wenn nicht der Geist ihm entgegenschlägt,
dem er folgen darf und der ihn selbst ergreifen soll. KommL aber der
Geist des neuen Lebens, so können aus eingerosteten FachkennLnissen
schöpferische Gaben werden.

Der Geist ist Schöpfer. Er kann vielleicht auch den Eigennutz der
Klassen und Parteien brechen, die Bationalleidenschasten dämpfen und
aus Blut und Lrümmern wirklich neues Leben schaffen. Veni Creator,
Komm zu uns nieder, Schöpfergeist! Bonus

Was ift „SLil"?

/-H^^-enn man den Inhalt des Wortes „Stil^ ganz allgemein betrachtet
V Humschreiben will, so kann man etwa sagen, däß damit eine innere
Gesetzmäßigkeit des Gestaltens gemeint ist. Wenn wir von einer
inneren Gesetzmäßigkeit des Gestaltens sprechen, so stellen wir die in Ge-
gensatz zu etwas anderem, und dieses Andere ist die äußere Zufälligkeit
des Seins. Der Gegensatz bezieht sich also auf die Naturerscheinung; ihre
Mannigfaltigkeit erscheint uns als Zufälligkeit, und wir fagen vielleicht
deshalb deutlicher: der Gegensatz, den wir unausgesprochen hervorheben,
ist die Mannigfaltigkeit der Natur. Aus der bunten Mannigfaltigkeit des
Natur-Vorbildes oder des Natur-Vorganges wird bei der künstlerischen
Verarbeitung etwas Gesetzmäßiges, und wenn wir das, was der gestal-
tende Mensch im Gegensatz zur gestaltenden Natur in sein Werk herein-
gebracht hat, als etwas Gesetzmäßiges an einem Werke empfinden, sagen
wir ganz allgemein: es hat Stil.

Das ist das Gemeinsame, das in diesem Begriffe steckt: der Gegensatz
Zum äußeren Zufälligen. Dieses Gemeinsame kann aber die verschieden-
artigsten Sonderbedeutungen erlangen, die der Benutzer des Wortes,
ohne dieses zu erweitern, im Auge haben kann; und das kommt daher,
weil diese innere Gesetzmäßigkeit, die der Begriff ausdrückt, sich auf ganz
verschiedenen Inhalt zu beziehen vermag.

Gesetzmäßigkeit? Woraus entfließt das Gesetz? worauf bezieht es sich?

Auf ganz grundverschiedene Dinge. Das Gesetzmäßige kann zunächst
in den Anschauungen einer Zeit-Epoche liegen. Sie entwickelt bestimmte
EigenLümlichkeiten des Geschmacks; sind diese als innere Gesetzmäßigkeit
des Gestaltens maßgebend gewesen, so sprechen wir in einem historischen
Sinne von „Stil". Wenn wir sragen nach dem Stil eines Gitters, ist in
diesem Zusammenhange die Antwort: gotisch, Barock, Louis XVI.
 
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