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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 30,3.1917

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Heft 15 (1. Maiheft 1917)
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Marsop, Paul: Hans von Bülow und Richard Wagner
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Corbach, Otto: China im Weltkriege
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https://doi.org/10.11588/diglit.14297#0138

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und später bayreuthwärts gewendet, ob er zu Florenz oder zu Meinrngen,
zu Hannover, Berlin, Hanrburg weilte. In jeder Probe, in jedem Kon-
zert, in jeder Opernwiedergabe seines Lebensherbstes klang die Wagnerische
Note durch. Scheinbar freilich gewann er sich nrancherlei gegen sein Ge--
wordensein ab: den Verkehr rnit flachen Durchschnittsmechanikern des No-
tenschreibens, mit Philistern, Agenten, Zeitungsbedienten, das zähe Sich-
einbohren in nachbeethovenische, retrospektiv „gerichtete" Symphonik, ja
sogar ein gewisses nachschmeckerisches Behagen an der Klavieristik seiner
Iugend. Das ergab, unwichtige Ergebnisse mit außerordentlichen ver-
mengt, in tausend und abertausend Einzelheiten unschätzbare Beiträge
und Werksteine zur Zukunfts-Organisation des deutschen Musiklebens.
Für Bülow selbst aber war es notgedrungene Zersplitterung — „Beschäfti-
gung, die nie ermattet", doch selten tzerzensbefriedigung. Wagners „Aber
das Dirigieren" auf die Symphonien von Iohannes Brahms angewendet
brachte dem Komponisten überquellenden Gewinn, den er mit verlegenem,
kargem Danke buchte. Was Bülow in krankheitbeschatteten Iahren als
Gemarterter, Herumgestoßener, im Wirbel sich entgegenkämpfender Re-
gungen, unter Selbstbeschwichtigungsversuchen, die zum Mißlingen ver-
urteilt waren, über Brahms, über Liszt, über Wagner sagte und schrieb:
damit läßt sich alles und nichts beweisen. Für seinen künstlerischen Cha-
rakter war allein entscheidend, wie er dirigierte, da er die End-
summe seines Vermögens zog: Brahms unstreitig mit voller tzingebung,
mit der Genugtuung, von der beseelt ein Vornehmer dem andern zu seinem
Rechte verhilft, Wagner jedoch mit der stets neu aufflammenden Glut der
ersten, starken, unverlorenen Liebe, ja selbst die in französische Rhetorik
eingebettete Kantilene der Lisztischen „Preludes^ im glücklichen Gedenken
zärtlich behüteten Iugendbesitzes. Dafür mußte man Ohren haben. Es
ist nicht wahr, daß sich Bülow wandelte. Er hatte das Echte des gesunden
tzasses und die Treue der unter Schmerzen geläuterten tzingebung. Einem
Geschick, das sein tzerz zersprengte, trotzte er die Einheitlichkeit des Schaf-
fens ab. Paul Marsop

China im Wettkriege

hinas Anschluß an den Zehnverband hat die meisten bei uns über-
rascht. Zwar boten die Rachrichten über die schlimmen Geldnöte der
Republik der Mitte ungenügend Anterrichteten ein Aushilfsmittel,
um diesen Vorgang der ersten Reugierde einigermaßen befriedigend aus-
zulegen. England sollte von Lhina die Aufgabe seiner Neutralität ein-
fach dadurch erpreßL haben, daß es drohte, ihm weiteren finanziellen Bei-
stand zu versagen. War das die volle Wahrheit, so mußte die Achtung,
die man der Republik der Mitte, nach allem, was sie sich während des
Krieges von Iapan schon gefallen und bieten ließ, etwa noch zollen konnte,
fast auf den Rullpunkt sinken. Wie groß und drückend aber die Geldver-
legenheiten der chinesischen Machthaber sein mögen, sie könnten es un-
möglich rechtfertigen, daß sich China von auswärtigen Gläubigern zur
Teilnahme am Kriege gegen die Mittelmächte zwingen ließe. Man er-
wäge nur, wie begehrlich große Kapitalisten aller Welt bisher schon nach
Gelegenheiten zur Ausbeutung der unerschlossenen Bodenschätze Chinas
und der Kaufkraft seiner ^00 Millionen Menschen trachteten! Die Er-
schließung Chinas für den Weltverkehr und die Weltwirtschaft steckt aber

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