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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 30,3.1917

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Heft 18 (2. Juniheft 1917)
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Wolzogen, Hans von: Zum "Problem der Oper"
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Klinger, die Gegenwart und die Zukunft, 4: Klingers "Zelt"
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https://doi.org/10.11588/diglit.14297#0304

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Das „Problem der Oper^ verschwrndet vor der glücklichen Tatsache,
wenn gutes musikalisches Können und anständig-verständige Dichtung sich
vereinigen, mit oder ohne Genie, in theatralischer Form. Was uns auf
diese Weise übrig bleibt, ist eine fortbestehende Vergangenheit: die alte
Oper, eine feststehende Gegenwart: das musikalische Drama, und eine —
vielleicht — fortbestehende Zukunft: das wiedergewonnene Singspiel. Da-
für dürfen wir wohl gern auf Abbruch verschenken: den vermeyerbeerten
Wagner oder verwagnerten Meyerbeer: die falsche „Oper^ und den durch
mangelhaften Offenbach verdorbenen Wiener Walzer: die moderne Ope-
rette, zwei musikalische Andinge, welche niemals „problematisch" sein werden,
ebensowenig wie das frei schöpferische Genie! —

Bayreuth. HansvonWolzogen

Klinger, die Gegenwart und die Zukunft. 4

Klingers ^Zelt^

ine Folge von Radierungen nicht beträchtlichen tzochformats, samt
I^^doppeltem Titel- und Inhaltblatt in zwei Mappen. Preis: ^800
^»^Mark. Also nicht gernde was für die Volksbildereien. Auch aus
andern Gründen nrcht. Klingers „Zelt" ist die umfänglichste aller seiner
„Folgen", aber zu den im bewußten Sinn großen gehört es nicht. Man
würde sich nur den Genuß verderben, wenn man ihm mit Stimmungen
und mit Ansprüchen nahen wollte, wie dem „Leben^, der.^Liebe^, der
„Brahms-Phantasie", „Vom Tode". tzier ist kein Ringen um das griffel-
künstlerische Monumentalisieren von Erlebnissen, hier ist mit Stift und
Nadel ein Fnbulieren. „Beim kleinsten Zipfel von Wort geht mir die
Illusion aus, und ich will ja auch nur ein Märchen erzählen, und zwar
ein richtig gehendes, wo die Köpfe so wenig sicher sitzen, wie die tzemden,
mal rauf, mal runter. Sengen, ein bißchen Morden, ordentlich Lieben und
Liebenlassen, und das alles in schöner Gegend, bei allerhand Wetter und
gar nicht vegetarisch, sondern Fleisch, viel Fleisch. Ia, ja! Und dabei
weiß ich noch gar nicht, wie es zu Ende geht/ Also schrieb, der's auf-
geschlagen hat, über sein Zelt an Max Lehrs. Bilderlust, die sich an dem
ausläßt, was Klingern als Augenmann immer am meisten bewegte, am
Frauenleibe, wie er gewachsen ist und wie er sich bewegt, und an südlicher
Landschaft.

Wir schlagen die Mappen auf. Blatt (, was ist das? Aber einer
schönen Landschaft, stehe, da schwebt's: in seines tzaupthaars Wolke, schlank
und lieb, zierlich und so duftig, daß es schon mehr luftig ist, das Weib
als Ideal, als Sehnsuchtstraum von Glück. Die höchsten Autoritäten sehn
darauf nieder und sagen: was Nettes, aber was wird nun draus? Rnten
jedoch hockt unter einem mächtigen Bananenblatt (auf dem man aber,
wie sich später erweist, anch etwas aus der tzöhe herabholen kann) jemand,
der Bockfüße hat. Ia, der ist anch noch da.

Steigen wir nieder zur Erde! In dem stattlichen Zelt von Blatt 2,
da dürfte was Ächnliches sein, wie das Ideal-Weib, aber aus Fleisch und
Blut. Es wächst und findet sich allerliebst (3), seine Gespielen, die schwarzen
Schwäne, finden das gleichfalls (H); man spricht auch anderswo davon und
macht verlangende Ritter neugierig (5). Derweil rettet ein Mutiger das
erwachsende Wesen vor einem ungebildeten Stier (6). Doch einer von
den schwarzen Schwänen ist gar keiner, sondern ein Prinz, und eines
schönen Tages fängt er sich sie (7) und vergewaltigt sie (8). Das klagen

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