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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 30,3.1917

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Heft 13 (1. Aprilheft 1917)
DOI Artikel:
Friedenserhaltung und Friedensgestaltung, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.14297#0019

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Friedenserhaltung und Friedensgestaltung

>^-^H^ie der Knabe, der freiwillig „hinaus" zog, wird der Friede
d HveränderLen AngesichLs, kaum erkennbar, zurückkehren. Millionen
werden diesen Augenblick als ein Signal zum Ausruhen auf»
fassen. Äberanstrengte werden den Schauplatz ihres Tuns verlassen, Altere,
die mit durchgehalten haben, werden zurücktreten, im Zwang Gehaltene
werden den Genuß, ihrem Wesen Entfremdete ihr eigenes Feld wieder
suchen; auch Kriegergestalten werden wir sehen unter den Ruhebedürf»
tigen. Nicht allzuvielen wird das Geschick vergönnt haben, ganz wachen
Blickes, gespannten Willens, tatbereit über den Tag des Friedensbeginns
hin auf die kommenden Tage der Friedensdauer zu schauen. Aber manche
werden dann dem Frieden nicht trauen können. Ist es möglich, ihn zu
erhalten? werden sie fragen. Und ist er es wert, daß er erhalten werde;
ist er nicht etwa ein Wechselbalg, wie der Friede, den selbst leidenschaftliche
Kriegsgegner letzten Lndes nicht nur mit Schmerz scheiden sahen?
Mit andern Worten: Bietet die Waffenruhe nach dem größten Weltkrieg
die Möglichkeit, nunmehr einen Frieden, der diesen holden und erschüt»
ternden Namen verdient, zu gestalten?

Die Frage nach der Erhaltung des Friedens spaltet sich in zwei Teil-
fragen. Ist und wie ist der gegenwärtige Friede zu erhalten? so lautet
die eine. tzierüber kann natürlich nur gesprochen werden, wenn die
Friedensbedingungen in ihrem Wortlaut und einigermaßen auch in
ihren weltpolitischen Folgen klarliegen. Aber die andre ist nicht minder
bedeutsam: Welche Mittel haben wir ganz allgemein, abgesehen von
irgendeiner aktuellen Weltlage, um dem Frieden schlechthin zu dienen?
Davon soll zunächst die Rede sein.

<Z

Mit der Lrhaltung „des" Friedens hat es zu ihrem größten Teil die
Friedensbewegung, der sogenannte Pazifismus, zu tun. Der Pazi-
fismus zerfällt in zwei Lheoretisch verschiedene Richtungen, die aber prak-
tisch vielfach zusammengehen. Ich will, anknüpfend an Fried, die eine den
reformatorischen, die andre den ursächlichen nennen. Sie unter-
scheiden sich etwa so wie die Abstinenzbewegung von der Mäßigkeit-
bewegung, von denen jene radikaler, entschlossener, großzügiger und für
Denken und tzandeln unbequemer, diese vorsichtiger, dem tzerkommen
mehr angepaßt, bequemer, aber auch nicht ganz ohne Wirkung ist. Der
reformatorische Pazifismus bekämpft den Krieg unmittelbar, sei es ins-
gesamt, sei es in seinen Auswüchsen. Lr sucht von Fall zu Fall das
Lintreten des Krieges zu verhindern oder wenigstens hinauszuschieben,
er sucht die Gewaltanwendung zu mildern, er sucht völkerrechtliche und
humane Bestimmungen für die Kriegführung durchzusetzen, die Rüstun-
gen zu beschränken, die zwischenstaatliche Schledsgerichtbarkeit zu fördern.
Lr versucht noch mancherlei anderes, doch möge dles zur Kennzeichnung
genügen. Ihn vertreten Tausende, ja Millionen; nicht nur zahlreiche
Völkerrechtler, Antimilitaristen, Rüstunggegner, Verständigungpolitiker, son-
dern auch viele Regierungen, Diplomaten und tzerrscher, ja — wenn
man den Begriff weiter faßt — beinahe alle Menschen, soweit sie über-
haupt zur Friedensfrage Stellung nehmen und sich nicht mit Philo-
sophemen, Antertanengefühlen oder hergebrachten Redensarten darum
drücken, dies zu tun. Der furchtbare Lrnst der Friedensfrage erlaubt

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