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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 30,3.1917

DOI Heft:
Heft 13 (1. Aprilheft 1917)
DOI Artikel:
Hoffmann, Paul Theodor: Vom Heimweh: zu Jung-Stillings 100. Todestage
DOI Artikel:
Jung-Stilling, Johann Heinrich: Aus Jung-Stillings Schriften
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https://doi.org/10.11588/diglit.14297#0040

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Glück, ist so sonderlich und einzigartig dargestellt) daß sie unter den Dorf-
geschichten als besondere Größe gilt. Dann aber die Gestalt des tzelden!
Sie ist der Dichter selbst) ist selbst,die Verkörperung des tzeimwehs. Seine
Seele sehnt sich aus der irdischen Unzulänglichkeit, aus der Welt, die von
der französischen Revolution und der Gewaltherrschaft des Korsen blutete,
hinaus in ein reines Dasein. Seine Iugend ist voll von Werdensqual
und seine Sehnsucht geht aus auf Selbstvollendung und Ruhe in Gott.
Zu ihr will er die Mitmenschen hinanziehen. Freilich verbindet sich mit
seiner positiv-religiösen Persönlichkeit und seinem frommen Determinis--
mus eine starke Anduldsamkeit gegen anders gerichtete Geister. Aber diese
Unduldsamkeit rechtfertigt sich bei ihm wie bei allen Erlösernaturen da»
durch) daß er sein Leben selbst als Beispiel gab. Dieses Leben — und das
ist wohl das Wichtigste an ihm! — schreitet mit erstaunlicher Sicherheit
seinen Weg. Es richtet sich gegenüber den Dingen nur von innen her.
Goethe vergleicht in Dichtung und Wahrheit den Dichter mit einem Racht«
wandler. Das nachtwandlerhaft Sichere hat Stilling von seinem tzeim--
weh. Er würde wie Luther haben sagen können: „hier stehe ich; ich kann
nicht anders") — wenn er mannlicher gewesen ware. Seine weibliche
Geistigkeit aber hat ihn zu einem fruchtbaren Kampf nicht kommen
lassen. Seine Polemik ist kein Kampf, sondern weinerliches Gezank.
Er konnte nur sich und seinesgleichen hinanziehen. Er konnte nur
als Beispiel, nicht als Kämpfer wirken. Und damit vermag er uns
tzeutigen nach der negativen wie nach der positiven Seite noch Wichtiges
zu sagen. Nach der negativen ist er Warnung oder Mahnung zur Selbst--
bescheidung: Warnung allen männlichen Charakteren gegenüber ihrer selbst
vorm Vergessen, daß es ihre Pflicht ist, Kampf mit dem anders Seienden
zu führen; Mahnung den weiblichen Charakteren, daß sie als Beispiel
werden mögen, was sie als Kämpfer nicht können. Nach der positiven
Seite aber gibt Stilling die tröstende Gewißheit von der nachtwandleri-
schen Selbstsicherheit alles unsres tzeimwehs. Es wird uns ebenso den
Weltkrieg überwinden helfen, wie es seit undenkbaren Zeiten her die
tzemmnisse des kosmischen Geschehens überwunden hat gemäß den Worten,
die Stillings Iugendfreund Goethe so niederschrieb:

„Wenn im Anendlichen dasselbe
Sich wiederholend ewig fließt,

Das tausendfältige Gewölbe
Sich kräftig ineinander schließt:

Strömt Lebenslust aus allen Dingen,

Dem kleinsten wie dem größten Stern,

And alles Drängen, alles Ringen
Ist ewige Ruh in Gott dem Herrn."

P. Lh. Hoffmann

Aus Iung-Stillings Schriften

^ Vom Heimweh

>Velig sind, die das tzeimweh haben, denn sie sollen nach tzaus kommen.

Eine Vifion

«ic^ie ich von euch in Wald hinein ging, sah ich weit von mir ein Licht,
^^eben so, als wenn Morgens fruh die Sonne aufgeht. Ich verwunderte
mich sehr. Ei! dachte ich, dort steht ja die Sonne am tzimmel; ist das

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