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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 30,3.1917

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Heft 14 (2. Aprilheft 1917)
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Corbach, Otto: Krieg und Auswanderung
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Lembke, Fr.: Wohlfahrtsarbeit im Landvolk
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https://doi.org/10.11588/diglit.14297#0088

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daß er das europäische Staatensystem überhaupt schwächen sollte, um den
europäischen Bevölkerungsüberschüssen in Luropa selbst, allenfalls noch
in Nordafrika und Kleinasien Luft zu schaffen. Denn dieses Staatensystem
wirkte in der Vergangenheit zweifellos dahin, den heimischen Nahrungs»
spielraum der europäischen Völker gewaltsam zu verengern, um jene Aus»
wandererströme in Gang zu bringen und in Fluß zu erhalten, durch die
ferne Länder besiedelt und deren natürliche Hilfsquellen dem europäischen
Wirtschaftsleben nutzbar gemacht werden konnten. Soweit die Bedin--
gungen, unter denen der künftige Friede zustandekommen wird, diesen
Verhältnissen nicht entsprächen, würde wohl der Krieg in sozialen Kämpfen
innerhalb der europäischen Staaten seine Fortsetzung finden. Aber die
kolonisatorischen Möglichkeiten, auf die Iapan und Amerika, getrennt, die
europäischen Völker beschränken möchten, sind verhältnismäßig eng be»
grenzt. Deshalb wird sich in den Völkern Europas früher oder später
wieder der Drang regen, die tzemmungen ihrer Ausdehnung in Asien und
Amerika zu überwinden. Otto Corbach

Wohlfahrtsarbeit im Landvolk

^W^a man sich heut ganz allgemein bewußt ist, daß es nach dem Kriege
(-H^erst recht gilt, sich zu behaupten, einerlei, ob unsere Gegner uns
^^in absehbarer Zeit wieder in einen Krieg hineinzwingen oder nicht,
so ist die Bereitwilligkeit, an der Stärkung der Volkskraft mitzuarbeiten,
überall gestiegen. Ls gilt nun, diese Stimmung auszunützen.

Natürlich denkt man im allgemeinen zunächst an die Abstellung von
allerlei wirklichen oder vermeintlichen Schäden. Und da nun einmal die
Stadt, besonders die Großstadt, ein Menschen verbrauchendes Gebilde
ist, so liegt nahe, daß man sich zuerst und zumeist mit der SLadt be-
schäftigt. Die Berechtigung und Notwendigkeit solcher Arbeit soll nicht
bezweifelt werden. Ls muß aber mit allem Nachdruck auch darauf hiw-
gewiesen werden, daß es noch nicht einmal halbe Volksarbeit ist, den Ver-
brauch an Menschen- und Volkskraft durch die Stadt zu hemmen — auf-
heben wird man ihn nicht können —, wenn nicht zugleich dafür gesorgt
wird, daß der Ouell, aus dem die Stadt immer neue Kraft und neues Leben
schöpft, auf eine möglichst hohe Stufe der Gesundheit und Kraft gebracht
wird. Arbeit am Stadtvolk ist noch nicht einmal halbes Werk, wenn die
am Landvolk sich ihr nicht zugesellt.

Daraus darf aber nicht der Schluß gezogen werden, daß es sich einfach
darum handelt, städtische Wohlfahrtsarbeit auf das Land zu übertragen.
Das sollte schon der Anterschied verbieten, der in der verschiedenartigen
Begründung der Volksarbeit in Stadt und Land liegt. Wohl springen
Lntartungserscheinungen von der Stadt auf das Land über, wohl gibt es
auch dem Lande eigentümliche Erscheinungen der Art; in der Regel wird
man aber in der Stadt mit den Folgen eines zu raschen und ungestümen
Lebens rechnen müssen, während es auf dem Lande umgekehrt gilt, eine
gewisse Trägheit zu überwinden, die nicht allein in einer Abneigung
gegen alles Neue, sondern auch in einer mangelhaften Anpassung des
Neuen an die Schätze alten Volkslebens zutage treten. Ls ist durchaus
nicht jede Arbeit, die in der Stadt dringend notwendig ist, auch auf dem
Lande angebracht, und man erfaßt seine Aufgabe nur sehr mangelhaft,
wenn man sich damit begnügt, städtische Arbeit in etwas angepaßter Weise
 
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