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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 30,3.1917

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Heft 15 (1. Maiheft 1917)
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Unna, ...: Männlicher Nachwuchs
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Röttger, Karl: Über Schuldeutsch und Kindersprache
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https://doi.org/10.11588/diglit.14297#0151

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licher und allgemeiner gewordene (Lrkenntnis von dem Wert jedes eiw-
zelnen Menschenlebens für das Gedeihen der Gesamtheit aber selbstver«
ständlich auch dazu, von der Verhinderung der Befruchtung und von künst-
lichen Fehlgeburten abzulassen. Mehr als sonst ist man dann bestrebt,
die fruchttragenden Mütter mit Schonung und Pflege zu umgeben und
die Säuglinge zu schützen. Das alles zusammen ergibt dann jene oft
beobachtete „mystische" Erscheinung.

Kennen wir aber ihre natürlichen Grundlagen, so liegt es in weitem
Maße bei uns, auch nach diesem furchtbarsten aller Kriege an seinen
Wunden Heilen zu helfen. Welchen Mehrgewinn an Knaben verspricht
uns allein schon die in erheblichem Umfange mögliche Ginschränkung der
Fehl- und Totgeburten! Eine weitere Herabminderung der Säuglings»
sterblichkeit kann ihn noch in beschleunigterem Maße steigern. Also reichs»
gesetzlicher Ausbau unsrer Schwangeren-, Wochenbetts- und SLuglings-
fürsorge! Darüber Hinaus brauchen wir eine weitschauende Sozialpolitik
durch ländliche Innenkolonisation, durch städtische Dezentralisation, durch
kommunale Wohnungsfürsorge, durch wirtschaftliche Bevorzugung der Ver«
heirateten und besonders der kinderreichen Familien, und freilich noch
manches andere mehr. Mit Sicherheit zu erwarten ist die Ehefreudig-
keit unsrer tzeimkehrenden. Sorgen wir dafür, daß sie außer dem wirt-
schaftlichen Fundament, für dessen Sicherung sie heute noch kämpfen, auch
ein einladendes und schützendes Dach vorfinden! A n n a--Hamburg

Aeber Schuldeutsch und Kindersprache

GG

-A ber beides befinden wir uns in einem Stadium der „Neuorientierung".
I I And zwar schon seit Iahren. Aber ersi in letzter Zeit dringt die Klä-
^d^rung durch, (. daß die Kindersprache nicht eine „falsche Sprache^
ist, die in der anfänglichen Dummheit des Kindes, die Sprache des Er-
wachsenen aufzufassen und wiederzugeben, begründet ist, sondern vielmehr
eine in organischem Wachstum sich befindende Sprache, die in Iahren
langen Werdens in die Erwachsenensprache übergeht; 2. daß wir gut
daran tun, die Sprache, die in Schulbüchern und Präparationsbüchern „ge-
handhabt" wird, das Schuldeutsch, einer genauen Betrachtung zu unter-
ziehen.

Die Pädagogik ist da jahrzehntelang weltfremd gewesen, wenn sie
meinte, das Kind könne nicht schnell genug seine eigene Sprache ablegen
und die Sprache der Erwachsenen sprechen. Allerdings meinte die PLda-
gogik ja auch, sie böte dem Kind eine wertvollere Sprache. Am in Bei-
spielen zu reden: In einem Realienbuch heißt es: „Eines der verbreitetsten
Gewächse ist die Kartoffel. Sie ist nicht so hoch wie die Eiche und
ihre Blüten sind nicht so wohlriechend wie die Rosen (!), und dennoch
wird sie von jedermann geschätzt. Woher kommt das? Die Kartoffel ist
die wohlfeilste Speise der Armen und liefert zugleich wohlschmeckende Ge-
richte für die Reichen. Sie gerät fast in jedem und mißrät fast in keinem
Iahr ganz. Sie braucht wenig Wartung und liefert doch reichlichen Er-
trag." Das ist aus einem der neuesten und besten Lesebücher und wirklich
kein Ausnahmebeispiel. Ist diese Sprache nicht in Rücksicht auf die Psycho-
logie des Kindes geradezu unfaßbar? Was sollen die Vergleiche der Kar-
toffel mit der Eiche und der Rose? Was soll hier die Einführung von
Abstrakten wie „Wartung", „Ertrag", wo es fich um die Vermittlung ganz
 
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