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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 30,3.1917

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Heft 15 (1. Maiheft 1917)
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Unna, ...: Männlicher Nachwuchs
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https://doi.org/10.11588/diglit.14297#0150

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die Biologen eingehend mit diesen Fragen beschaftigt. Aber auf Grund
ihrer urnfangreichen und tief eindringenden Versuche an Pflanzen und
Tieren steht heute fest, daß alle derartigen Behauptungen irrig sind. Mit
der Befruchtung ist das Geschlecht schon bestimmt. Es steht heute fest, daß
im ganzen Neich der Lebewesen mit der Möglichkeit eines willkür-
lichen Linflusses aus die werdende Geschlechtsbestimmung nicht ge»
rechnet werden kann.

Nun wird oft behauptet, daß eine Bevölkerung nach großen Lrschöp»
fungen durch Krieg oder epidemisch auftretende Seuchen durch eine nach-
folgende auffällige Geburtensteigerung und durch eine gleichzei»
tige Verschiebung des Geschlechterverhältnisses zugun-
sten der Knaben von selbst sich wieder ^ins gleiche stellt". In der
Tat haben unvoreingenommene Nachprüfungen zum Beispiel für die Zeit
nach Ml, zu statistischen Ergebnissen geführt, die solche Beobachtungen zu
stützen scheinen. Aber die wissenschaftliche Forschung hat sich durch das
Mystische dieses Vorganges nicht einschüchtern lassen, sondern war mit
Erfolg bestrebt, sein natürliches und gesetzmäßiges Wesen zu enthüllen.

Schon die oben erwähnte Erscheinung, daß das ursprüngliche
Geschlechterverhältnis von durchschnittlich (06 Knaben zu (00 Mädchen
sehr bald schon — nicht erst durch die spätere höhere Sterblichkeit der in
mancherlei aufreibenden und gefährlichen Berufen tätigen Männerwelt,
sondern von vornherein schon durch ein HLufigeres tzinsterben
der männlichen Säuglinge — sich zu verwandeln Pflegt, forderte
zu eingehenderer Beachtung heraus. Die Statistik läßt keinen Zweifel
darüber: schon am Ende des ersten Lebensjahres beträgt das Verhältnis
der Knaben zu den MLdchen nur noch (03: (00. Aberraschenderweise ergibt
sich aber, daß auch unter der Zahl der Tot« und der Fehl«
geburten die Knabenziffer weitaus und regelmäßig
überwiegt. In den letzten Iahren entfielen in Deutschland bei durch«
schnittlich 2 Millionen Lebendgeburten von den etwa ^00 000 Fehl-
geburten (!) auf (00 MLdchen jedesmal (50—(60 Knaben! Rnd im
Iahre (909 kamen beispielsweise auf 26^53 weibliche Totgeburten
33 626 totgeborene Knaben. Wie es erwiesenermaßen überhaupt eine
größere Zahl von erblichen Anomalien und Leiden gibt, die vorzugsweise
die männliche Nachkommenschaft betreffen, so weist diese auch schon vor
der Geburt mehr krankhafte Anlagen auf. Dazu kommt auch noch, daß
der größere Körperumfang der Knaben zu mancher Totgeburt Veranlas-
sung gibt. Noch einen andern Grund hat die Statistik darin aufgedeckt,
daß einerseits unter den Lrstgeborenen die Knabenziffer stark über«
wiegt (bis zu (20: (00), daß anderseits aber auch gerade unter diesen die
Totgeburtsquote — hauptsächlich knfolge der noch mangelnden Gebär-
fähigkeit der erstgebärenden Mütter — die der späteren Entbindungen
wesentlich übertrifft. Es tritt deutlich zutage, in welchen Zusammen»
Hängen diese Tatsache mit dem Aufstieg der Knabenziffern nach Krie»
gen und Epidemien steht. In die Lücke, die das tzinsterben zahlreicher
männlicher Erwachsener in das Wirtschaftsleben eines Landes gerissen
hat, rücken die neuen BerufsfLhigen ein und erwerben sich damit, durch»
schnittlich schneller, als sie hoffen durften, die materielle Möglichkeit zur
Eheschtießung. Auch Pflegt der gesteigerte Wunsch nach eigenem tzeim
die tzeiratslust nach Kriegen ja stark zu steigern. Auch dafür sprechen
Zahlen. In Abereinstimmung mit solchem Idealismus führt die eindring-
 
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