Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutscher Wille: des Kunstwarts — 30,3.1917

DOI Heft:
Heft 18 (2. Juniheft 1917)
DOI Artikel:
Müller, Johannes: Intellektualismus
DOI Artikel:
Wolzogen, Hans von: Zum "Problem der Oper"
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14297#0300

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
In dieser Weise ist es gemeint, wenn ich snge: Nur durch eine neue
Art Leben kommen wir aus dem Intellektualismus heraus. Anders blei«
ben wir ihm trotz aller Wandlungen in unserm Bewußtsein unentrinn--

bar verhaftet. ^

Iohannes Müller

Zum ^Problem der Oper"

mmer wieder und kürzlich mehrfach ist die Rede gegangen über das

Problem der Oper. Oder auch die „Opernfrage". Die tzauptfrage

^Kwäre, ob es überhaupt ein Problem ist. Mir ist es keine Frage,
daß es keines ist. Also habe ich auch keine Antwort, noch weniger eine
Lösung zu geben. Diese doppelte Berneinung soll im Folgenden zu Worte
kommen. —

Ich meine: die Oper ist für uns kein Problem mehr, aber sie ist von
Anfang an etwas Problematisches gewesen. Sie kam zur Welt als ein
kunstgeschichtliches Problem: die Wiedererweckung des antiken Dramas
mit (damals) modernen Mitteln. Bald ergab sich daraus das weitere
ästhetische Problem der Berbindung von Wort und Ton. Was in jedem
Liede natürlich, zweifellos, von selbst verständlich war, das ward und blieb
durch zwei Iahrhunderte auf der Bühne problematisch. Erst das sogenannte
„musikalische Drama", das Wagner schuf, aber nicht so nannte, hat dies
Problem gelöst; und siehe da: es war gar nicht das Problem der Oper.
Die konnte ruhig fortbestehen, wie sie geworden war; kein Mensch brauchte
sich mehr den Kopf darüber zu zerbrechen, wie es sich eigentlich mit ihr,
ihrem ästheLischen Wesen und Werte, verhielt. Das, was Problem ge-
wesen, war eben Problem der Bühne gewesen und in dem Augenblick
gelöst, als an Stelle problematischer Verbindung von Wort und Ton
das wirkliche Drama getreten war. Das ist aber der künstlerische Lebens-
ausdruck des ganzen, redenden und singenden, immer in sich und seinen
Ausdrucksmitteln einigen Menschen. Man kann auch sagen: das Pro-
blem war gelöst, als auf der tzöhe der Musik Wagner die Dichtung ernst
uahm; und die Dichtung war ein Drama. —

Äber das musikalische Drama ist nicht mehr zu reden; denn es lebt.
Es mochte problematisch erscheinen, solange es noch nicht wirklich lebte;
aber nun ist es unverkennbar lebendig vorhanden und wirksam. Man steht
dem Kunstwerk gegenüber wie einer Naturerscheinung, daran man sich
erfreut, ohne zu fragen, ob sie einer wissenschaftlichen Negel entfpreche.
Wir sind ganz aus dem Problematischen heraus, sowohl für das Drama
wie für die Oper. Dort ist das Problem gelöst, hier ist es gar nicht vor-
handen. Was Wort und Ton! Die Oper will nicht danach gefragt
sein. Dieser Unbequemlichkeit ist sie ein für allemal enthoben, seit dieses
Problem auf seinem wahren Gebiete, dem Drama, einfach durch die Tat-
fache des künstlerischen Daseins gelöst ist. Dies ist wenigstens meine Mei-
nung — auf Grund einer bald fünfzigjährigen Bestätigung, die zum
wesentlichen Teile aus dem Erlebnis der Kunst bestanden hat. Darum
spreche ich hier weder vom musikalischen Drama noch von der Opernfrage,
glaube aber doch, gerade in der damit gewonnenen Freiheit, noch einiges
von der gesprochenen und gesungenen Bühnenkunst sagen zu können, weil
sie eben doch vorhanden ist und, wie ich. Hoffe, eine Zukunft hat! —

Keiner kann uns sagen, ob das musikalische Drama eine wei-
tere Entwickelung haben werde, oder ob es nicht vielmehr, vollkommen aus
 
Annotationen