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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 30,3.1917

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Heft 16 (2. Maiheft 1917)
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Lotze, Hermann: Pfingstliches aus Hermann Lotzes Schriften
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Vom Heute fürs Morgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14297#0203

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sein, aber unser gegenwärtiges Leben fällt in eine Welt, in der er noch
nicht gelöst ist, sondern als ungelöster allen Beziehungen unsres Denkens
und Handelns zngrunde liegt.

Optirnismus und Pessimismus

Hkv»as gut und schön und heilig ist: wird die Entstehung dieses Lichten
^^aus dem Dunkel blinder Entwicklung wirklich begreiflicher, als für
uns der Schatten des Abels in der Welt ist, die wir dem Lichte zu danken
glauben?

Vom tzeute furs Morgen

Himmelfahrt

as Leben läßt sich im Grabe
nicht halten. Starkes Leben über-
windet so oder so den Tod. Die
einen sagen: im Geistigen; die an-
dern: . . . und also in Tat und
Leben. Der Himmelfahrtmythos
scheint nichts Neues zu sagen ge-
genüber diesem Ostergedanken. Er
tut es trotzdem, er setzt die Posi-
tion hinzu. Starkes Leben erhält
sich nicht nur, es wirkt weiter, schafft
und regiert. Anter „tzimmel" ver-
stehen wir ja das Reich der wirken-
den Kräfte. Die gewöhnliche Vor-
stellung dem Tode gegenüber (so-
weit sie das Leben bejaht) ist nur,
daß eben das Leben nicht verloren
gehe. Das „Wiedersehen". Das
ist tröstlich, doch auch ein wenig
schwächlich. Kraft gewinnt die Vor-
stellung erst, wenn hinzukommt,
oder vielmehr als Begründung ihr
vorausgesetzt wird die andere Vor-
stellung: das Leben, das in die
Form der Kraft hinüberging, be-
rührt sich mit dem unsern als
Kraft. So real wie bei Lebzeiten,
nur verstärkt, weil unmittelbarer
und freier, wenn auch mehr im An-
bewußten als vorher. Dazu wohl-
tuender, weil von manchem Stö-
rendrn erlöst, das sich im Körper-
lichen garzusehr verankert hatte.
Wir brauchen uns dem Einfluß
dieses befreiten Lebens nur stark
zu öffnen.

Dazu gehört freilich ein festes
Zutrauen darauf, daß es mit Le-
ben und Tod überhaupt anders
steht, als unsre im Geistigen so
mutlose Zeit will. Denn diese unsre
Ieit faßt Fuß im Stoff, welcher,
wie sie dann empfindet, nichts ist, —
sozusagen verdicktes Mchts, vergäng-
lich und nur im Zufallspiel Sinn
erhaschend. Starkes Leben faßt
Fuß gerade im Leben und sieht
von da aus ins Getriebe. Ihm ist
gerade nichts gewisser, als das Le-
ben, als dies, daß hinter allem
Sein und Geschehen nicht eine mit
Atomen, die nichts sind, gefüllte
Leere steht, sondern Leben in Fülle
und Wirkenslust, eher unbändig als
schlaff, eher überwach als müde.
And daß, was diejenige Erschei-
nungsform des Lebens angeht, die
wir selbst darstellen, auch sie, auch
ihre Geschichte mit diesem kurzen
Erdenkapitel nur gerade erst be-
ginnt. Das Gerede vom Wechsel
aufs Ienseit braucht uns dabei nicht
zu berühren, denn wir sprechen nicht
von einem Ienseit, das etwas an-
deres wäre, als befreites Diesseit,
Ernte des Lebens. Niemand wirkt,
der nicht Erfolg sehen will. Das
hat mit „Lohnsucht" und dem übri-
gen Geschwätz nichts zu tun. Es
wird geschaffen und ist dann da;
es wird gepflanzt und gepflegt und
trägt Frucht. Es arbeitet und wirkt
und setzt sich durch. Es müht sich
 
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