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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 30,3.1917

DOI Heft:
Heft 16 (2. Maiheft 1917)
DOI Artikel:
Lotze, Hermann: Pfingstliches aus Hermann Lotzes Schriften
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https://doi.org/10.11588/diglit.14297#0202

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einer sicheren Höhe herab den Inhalt vergangener Lindrücke mit aller
Mannigfaltigkeit seiner inneren Verhältnisse, selbst mit den Bildern der
Gefühle, die sich an ihn knüpften, aber nie trübt es die Auflösung seiner
Aufgabe dadurch, daß es an der Stelle der Bilder den Lindruck selbst
wiederkehren ließe. Ausdrücklich als abwesend stellt es das Vorgestellte
vor, und ohne von dem Größeren mehr als von dem Kleineren ergriffen
zu werden, wiederholt es mit gleicher Leichtigkeit beide, gleich zweien
Schatten, von denen keiner schwerer ist als der andere, wie verschieden
auch die Gewichte der Körper sein mögen, denen sie entsprechen.

Gnt und Glückseligkeit

^Xas Gut an sich ist die genossene Seligkeit; die Güter, die wir so nen»
^nen, sind Mittel zu diesem Gut, aber nicht selbst das Gut> ehe sie in
ihren Genuß verwandelt sind; gut aber ist nur die lebendige Liebe,
welche die Seligkeit Anderer will. And sie ist eben das Gute an sich,
das wir suchen; sie, indem sie Wirklichkeit hat als eine Bewegung des
ganzen lebendigen Geistes, welche sich selbst weiß, sich fühlt und sich will,
ist eben deswegen nicht nur eine formale allgemeine Bedingung, unter
der irgend einem Andern, das sie erfüllte, zukäme gut zu sein, ohne daß
sie selbst es wäre. Sondern sie ist das Einzige, das in eigentlichem
Sinne diesen Wert hat oder dieser Wert ist, und alles andere, Ent-
schlüsse, GesinnungeN) tzandlungen und besondere Richtungen des Wil-
lens) alles dies trägt nur abgeleiteter Weise mit ihr denselben Bamen
des Guten.

Weltentwicklung

/^ine unausfüllbare oder bisher wenigstens niemals ausgefüllte Kluft
^scheidet für unsre menschliche Vernunft die Welt der Werte von der
Welt der Gestalten. Wie lebhaft unser empfängliches Gemüt mit zu-
rückgehender Bewegung des Denkens aus den vorhandenen Formen der
Natur den Wert ihrer sittlichen Bedeutung herausfühlen mag: ebenso«
wenig vermögen wir vorwärts schreitend aus dem Bewußtsein der höch-
sten Werte die Notwendigkeit zu erweisen, mit welcher sie in diese und
in keine anderen Formen der Natur sich gestalten mußten. Mit der
festesten Äberzeugung von dem Vorhandensein dieser ungeschiedenen Ein-
heit zwischen beiden vereinigen wir den bewußten Glauben an die An-
möglichkeit ihrer Lrkenntnis.

Vom Sinn des Erdenlebens

HUuch die Kämpfe und Mühen des Lebens erscheinen einem gesammelten
^Äberblicke zuletzt als eine Äbung, deren Wert nicht eigentlich in der
Lrreichung eines Zieles liegt; die irdischen Zwecke mögen in nichtige
Kleinheit zusammenschwinden im Vergleich mit der endlichen Bestimmung,
die wir ahnen; bittere Gegensätze unsres Daseins verlieren ihre Schärfe
und Bedeutung, an dem Ewigen und Anendlichen gemessen, auf welches
unsre sehnsüchtigen Blicke sich richten. lind doch werden wir in jenen
Äbungen fortfahren, diesen beschränkten Zielen alle Wärme unsres Ge-
mütes zu widmen, diese Gegensätze empfinden und den Kampf um sie
immer wieder erneuern müssen; unser Leben würde nicht edler werden
durch die Geringschätzung seiner Verhältnisse und des Spielraums, den
es unsrer strebenden Kraft darbietet. So mag auch jener Gegensatz zwi-
schen körperlichem und geistigem Dasein kein letzter und unversöhnlicher


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