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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 30,3.1917

DOI Heft:
Heft 16 (2. Maiheft 1917)
DOI Artikel:
Lotze, Hermann: Pfingstliches aus Hermann Lotzes Schriften
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https://doi.org/10.11588/diglit.14297#0201

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wundern die durchsichtige Konsequenz, mit der eine lückenlose Kette von
Folgerungen vom Anfangspunkt einer Antersuchung zu ihrem Ergebnis
führt, aber viel höher gilt uns doch oft jene andere Folgerichtigkeit,
welche in Werken der Kunst Gedanken aus Gedanken keimen läßt, ohne
daß die vermittelnden Glieder nachweisbar würden, deren verknüpfende
Wirksamkeit wir empfinden.

Du gehörst der Lrde!

^ber das Leben des menschlichen Geschlechtes besteht nicht allein in
^^der Sehnsucht nach dem Ziel und in dem schwärmerischen Vortraum
seiner Anschauung, sondern in der Arbeit der Wanderung zu ihm. Wollen
wir diese Aufgabe mit selbstbewußter Besonnenheit lösen, so können wir
nie zu eifrig sein in der Erforschung der Bedingungen> die auch der Ent-
faltung unsres geistigen Lebens in der Natur des Schauplatzes gestellt
sind, der uns einschließt, und in dem Zusammenhang der Geschichte, von
dem wir dahingezogen werden. Wie in dem großen Weltbau der schöpfe--
rische Geist sich unverrückbare Gesetze gab, nach denen er das Reich der
Erscheinungen bewegt, die Fülle des höchsten Gutes in die Auzählbar--
keit der Gestalten und Ereignisse zerstreuend und aus ihnen sie wieder
zu dem Glücke des Bewußtseins und des Genusses verdichtend: so wird
der Mensch, dieselben Gesetze anerkennend, die gegebene Wirklichkeit in
Erkenntnis ihres Wertes, den Wert seiner Ideale in eine von ihm aus-
gehende Reihe äußerlicher Gestaltungen entwickeln müssen.

Früher Arbeit, heute Geschäft

^vn die Stelle der Arbeit, die einst eine sich selbst erquickende Abung
^der Tätigkeit war, tritt mehr und mehr das Geschäft, jenes wunder-
bare Geschöpf der Gesellschaft, das mit seinem vielverzweigten Zusammen-
hange, seiner von unsrer Willkür unabhängigen Baturgesetzlichkeit ge-
wissermaßen sein eigenes Leben führt und den Einzelnen zu seinem
keuchenden Diener macht. Große Fortschritte der Einsicht, Erfindungen,
gesellschaftliche Neubildungen aller Art, dienen dazu, Leils diesem An-
geheuer neue Kräfte zu geben, teils gegen die unerbittliche Folgerichtig-
keit seiner Entwicklung die Menschheit, die es geschaffen hat, einiger-
maßen sicher zu stellen; und wir pflegen das eine wie das andre zu be-
wundern. Wir staunen nicht ohne Zufriedenheit über das Anwachsen
der Riesenstädtei in welchen die Natur des Geschäfts allmählich die Be-
völkerung zusammendrängt, und vergessen oft, unter welche freudlosen
und abscheulichen Bedingungen des Daseins hierdurch ein großer Teil
der Menschheit versetzt wird. Wir halten es für einen Fortschritt, wenn
die zarte Kraft der Kinder zu nutzbarer Arbeit verwertet, oder dem weib-
lichen Geschlecht Arbeitskreise eröffnet werden, die der zunehmenden An-
zahl der ehelosen die Möglichkeit des Bestehens gewähren. Und wir
bedenken nicht genug, daß im besten Falle diese Einrichtungen doch nur
erzwungene und völlig naturwidrige Bestrebungen zur Ausgleichung
schwerer Äbelstände sind, welche die fortschreitende Verwicklung aller Lebens-
verhältnisse erst geschaffen hat.

Erinnerung

gkxie Vorstellung des Schmerzes ist Uicht Schmerz, die der Lust nicht
^^Lust selber; leidlos und freudlos erzeugt das Bewußtsein wie aus

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