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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 30,3.1917

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Heft 15 (1. Maiheft 1917)
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Röttger, Karl: Über Schuldeutsch und Kindersprache
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Vom Heute fürs Morgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14297#0155

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Sprechsprache, dadurch bekommt die Lrzählung eine ganz merkwürdige
starke Wirkung. (Ls taugt auch sonst etwas in seiner erdhaften Mischung»
in der Kleines und Großes, des Verfassers Nwte und sein tiefes Suchen,
wie seine Unzulänglichkeit in manchem ganz echt zum Ausdruck kommt.
Dies Buch nun bringt sehr viel Material zur Kindersprache. Vielleicht
ist noch ein kurzer Hinweis auf die „Märchen für Kinder und Haus" von
Verena zur Linde gestattet, das zwar nicht in reiner Kindersprache ge-
schrieben ist, aber doch in einer Sprache, die der Kindersprache nahe liegt —
eben in der Sprache der Verfasserin. Es ist also keine gewollte
Sprache, keine gewollte Annäherung an das Kind. Ich habe im
Auftrag eines Schulrats damit monatelange Beobachtungen und (Lr-
fahrungerr gemacht und erstatte eben darüber Bericht, indem ich die
Wirkung auf die Kinder darlege.

Iedenfalls: das Wesen der Kindersprache zu erfassen, ist eine wichtige
Angelegenheit. Wir sollten uns über kein Papierdeutsch der Erwachsenen
wundern, wenn wir die Sprache der Werdenden nicht sich entwickeln lassen,
sondern ihr, sozusagen, selber mit Papier den Mund stopfen.

Düsseldorf Karl Röttger

Vom Heute fürs Morgen

Zur amerikanischen Kriegs-
zustands-Erklärung

merika erklärt uns keinen Krieg,
sondern nur einen Kriegszustand.
Das ist ein großer Anterschied. Wie
sollte das fromme, friedliebende
Amerika Krieg erklären! Es er-
klärt, daß jemand anders Krieg mit
ihm mache. Da kann es doch nichts
dafür! Dem andern fiele das nicht
ein? Aber er tötet doch absichtlich
amerikanische Bürger! Er tut auch
das nicht, sondern er versenkt
Schiffe, welche wider Warnung in
die Kriegszone fahren; wenn sich
amerikanische Bürger auf solche
Schiffe setzen, ist das ihre Sache
so gut, als wenn sie zu Land in
die Schützengräben gehen. Aber
eben sie setzen sich drauf, und also
gehen einige von ihnen tot; und
das ist Krieg. Woraus noch der
Vorteil entspringt, daß auf diese
Weise Amerika gleich für die andern
Neutralen den Krieg mit erklärt.

Amerika will seinen tzandel mit
Deutschland nicht gegen England
verteidigen, dagegen seinen Handel

mit England gegen Deutschland.
Weshalb? Weil, sagt es, England
die Macht hat, die See zu halten,
Deutschland aber nicht. Da kann
doch Amerika nicht dafür! Nun
beweist Deutschland, daß es in sei-
ner Weise diese Macht auch habe.
Dies gefällt nun Amerika erst recht
nicht. Muß es schon England ge-
horchen, — nun auch noch Deutsch-
land? Da verlangt Deutschland zu-
viel. Es ist eine alte Sache, daß,
wer nach der einen Seite ducken
muß, nach der andern zu treten
sucht. Schon des Gleichgewichts
wegen. Rnd moralische Gründe sind
billig wie Brombeeren. Zumal wo
das Gold mitspricht. Ich hörte
einen von zwei sich balgenden Iun-
gen die klassischen Worte sagen:
„Meine Mutter sagt, du darfst mich
nicht ins Gesicht hauen: ich habe
eine Goldplombe!^ — Ia, die Gold-
plombe! And Gold ist dicker als
Blut, — selbst als vergossenes.

Es soll vorkommen, daß, wenn
ein vornehmer Lebemann sehr tief
verschuldet ist, seine Gläubiger ihn
sozusagen aushalten, damit er reich
 
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