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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 30,3.1917

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Heft 16 (2. Maiheft 1917)
DOI Artikel:
Schairer, Erich: Die Reformbedürftigkeit des Kleinhandels
DOI Artikel:
Frankenberg, ... von: Zur Entwicklungsfrage Europas
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https://doi.org/10.11588/diglit.14297#0190

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erhebt sich die Frage, wie die Reform des Kleinhandels
^nun eigentlich auszusehen habe. Man braucht ihn weder „abzuschaf-
fen^, noch kann nran rhn geschwind von heut auf morgen „verstaatlichen".
Aber allerdings ohne staatliches Lingreifen, vielleicht rücksichtsloses Lin«
greifen, wird sich keine erhebliche Besserung erzielen lassen; anderseits
könnte der Kleinhandel selbst einem solchen Lingreifen zuvor« und ent»
gegenkommen, wenn er die Zeichen der Zeit verstehen und sich organi--
sieren würde. In einem vortrefflichen Aufsatz über „Detailkaufleute"
im Februarheft des „Panther" gibt Matthias Kammerbauer die
Stichworte für eine zukünftige Kleinhandelspolitik: Bedürfnisnach«
weis und Befähigungsnachweis. Ls gäbe keine Äberfüllung
im Kleinhandel, wenn nicht die sogenannte Gewerbefreiheit es jedem
Beliebigen freistellte, einen Laden aufzumachen, ohne daß er auch nur
einen Funken kaufmännischer Bildung im Leibe hat; und wenn nicht
jeder Bauspekulant ohne weiteres für derartige Lxistenzen im Lrdgeschoß
seiner Mietskaserne soundso viele Ladenräume ausbauen dürfte, um die
höhere Rente davon einzustreichen. Die freiwilligen „Gilden" oder die
von Staats wegen geschaffenen Zwangsorganisationen der einzelnen Ge-
schäftszweige sollten im Linvernehmen mit der Gemeindebehörde darüber
zu entscheiden Haben, ob das Bedürfnis für eine neue Verkaufsstelle vor«
liegt; und nur gelernte Kaufleute sollten in diese Verbände eintreten
dürfen. Beides aber müßte mit rückwirkender Kraft eingeführt
werden: also daß von einem bestimmten Tage ab kein Laden offen bleiben
dürfte, für dessen Betrieb nicht Bedürfnis« und Befähigungsnachweis
geführt ist. Am noch einmal Rathenau zu zitieren: „tzier darf uns keine
falsche Mittelstandspolitik bestimmen, denn falsch ist jede Politik, die einen
Stand zu unwirtschaftlicher Tätigkeit verurteilt. Die Aufgaben des Mit-
telstandes sind groß und schön und stark, aber sie dürfen nicht so weit ver-
kannt werden, daß wir Legionen von Arbeitskräften produktiver Wirt-
schaft entziehen.^ Erich Schairer

Zur EntwickLungsfrage Europas

^W^er gegenwärtige Krieg trägt nicht den Charakter eines Eroberungs»
/krieges, und sein Butzen wird für die meisten Kriegführenden hinter
dem Schaden zurückbleiben.

Die Sachlage gewinnt jedoch ein ganz andres Aussehen, wenn wir auf-
hören, jeden SLaat für sich zu betrachten, und statt dessen eine mehr bio-
logische Betrachtungsweise einführen, die dem Sinne des Staates — als
eines lebenden Wesens — besser gerecht wird. Ein Lebewesen darf nie
ganz losgelöst von seiner Amgebung studiert werden. Die in ihm reprä«
sentierte Ordnung läßt sich nur bewerten, wenn man sie zu den Ver-
hältnissen seiner Rmwelt in Beziehung setzt. So kann nur der die
Formen-- und Farbenpracht einer Blüte verstehen, der den Linfluß kennt,
den sie auf bestimmte, die Bestäubung vollziehende Insekten ausübt, und
umgekehrt wäre es unmöglich, eine Erklärung für den Bau etwa einer
Biene zu geben, ohne des Blütenstaubes, den sie heimtragen soll, und
der langen Kronröhren, in die ihr Rüssel reichen muß, zu gedenken.

Genau so unmöglich ist es, die Ereignisse, die einen Staat treffen,
richtig zu bewerten, wenn man ihn losgelöst von seiner Umwelt ansieht,
also den Zusammenhang vernachlässigt, der ihn normalerweise mit einer
 
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