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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 30,3.1917

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Heft 18 (2. Juniheft 1917)
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Oestreich, Paul: Verbraucherkraft gegen Verbrauchernot
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Vom Heute fürs Morgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14297#0323

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abstirbt oder abgeschnürt wird. Deshalb fordern wir zu Wehr und Werk
jetzt Benachteiligter, zur Milderung der Bitterkeiten, zur tzarmonisterung
des Ganzen Verbraucherkammern. Luther schrieb: „Wo das Schalksauge
und der Geizwanst gewahr wird, daß man seine Ware haben muß, oder
der Käufer arm ist und seiner bedarf, da macht er's ihm zu nutz und
teuer. Nicht der Not und Darbe seines Nächsten zu Helfen, sondern der-
selben zu seinem Gewinn zu brauchen, seine Ware zu steigern, die er
sonst wohl ungesteigert ließe, wo des Nächsten Not nicht da wäre. And
muß durch seinen Geiz so viel mehr gelten, so viel der Nächste größere Not
leidet, daß des Nächsten Not gleich der Ware Abschätzung und Wert
sein inuß." Die Land-- und Kausleute, welche dieses Wort nicht trifft,
und das rst trotz allem sicher die große Mehrzahl, die würden sich des
neuen Gebildes freuen müssen, weil ihnen im Kampf gegen Schmarotzer,
Krankheiten, Unschönheiten am Leibe des Vaterlandes ein neuer tzelfer
erstünde, der nicht gegen sie, sondern mit ihnen schaffen möchte.

P a ul Oestreich

Vom Aeute fürs Morgen

Vom Nein und Za

ie Selbstdarstellung der Fröm-
migkeit, sehr künstlerisch verlau-
fend in Mythen und Kulten, hat
unter andern seiner farbigen Formen
das sogenannte „Kirchenjahr" aus-
gestaltet als ein Symbol des aus der
Tiefe quellenden Lebens. Es ist mit
dem Trinitatissonntag in seine Ar-
beitshälfte übergegangen. Die ge-
sammelte Gottheit, die von Ewig-
keit her sich in Menschenseelen zer-
teilende, die in Menschengeschick und
-geschichte Art und Ziel offenba-
rende, die unsern Geist rn Feuer-
flammen reinigende, die Dreigott-
heit, segnet die Menschenarbeit, die
aus solchem schöpferischen Bewußt-
sein heraus unternommen ist, als
göttliches und königliches Tun.

Woher kommt es, daß so vielen
eine verneinende Stellung zum Le-
ben tiefer und vornehmer erscheint?
Obwohl ihr doch das tzöchste ver-
schlossen ist, die tzerrschaft über das
Schicksal. ^

Der Mensch in älterer Zeit weiß
noch wenig von einer möglichen
Verneinung des Lebens. Wie er

sich stets nur von außen getrieben
fühlt, so kennt er als Weisheit nur
die möglichst schnelle, leichte Anpas-
sung und Einordnung. Natürlich
geht auch diese seine Einordnung
nicht in die Tiefe. Im Mittel der
treibenden Gewebe sitzt bei ihm nur
die Spinne, die Verdauungskraft.

Vertieft sich der Wensch, das
heißt: wird er sich eines eigenen
selbständigen Wollens bewußt, so
spürt er zunächst nur den Gegensatz
dieses seines Willens gegen das
vielbewegte Gewebe, die Verneinung
des Getriebes. Mit diesem Augen-
blick beginnt eine Rangunterschei-
dung zwischen dem solchergestalt tie-
fer gewordenen Menschen und den
weiter an der Oberfläche treibenden.
Das Zeichen der größeren Tiefe aber
ist dann das Nein des Willens
gegen die Amwelt, der er sich nicht
ohne wEeres mehr anpassen will.
Es ist in der Tat ein Adelszeichen.
Dem an der Oberfläche des Zufall-
getriebes Amhergewehten gegenüber
regt sich hier zum ersten Male ein
Wille, der sich in ihm selber unbe-
kannten Tiefen wurzeln fühlt und
Anspruch auf unbedingte tzerrschaft

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