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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 30,3.1917

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Heft 18 (2. Juniheft 1917)
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Vom Heute fürs Morgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14297#0324

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erhebt. Er hat die Vermutung für
sich, datz er mit dem Willen zur
tzerrschaft auch Kraft zu rhr ist. Wie
sollte ohne sie ein solches Selbst-
bewußtsein erstmals entstanden sein?
Während später blotzes Nachfühlen
eines von stärkeren Kräften vor-
gebildeten Vewußtseins in leere
Trugbilder verwehen kann.

Indessen dieser Wille, noch ganz
in das Getriebe verhakt und ver--
bissen, mitzversteht sich in ungeheuer«
lichen Vergewaltigungen und wird
als irrend erkannt, gebrandmarkt,
verleugnet von seinem eignen Be«
wußtsein. So spricht er sein zweites
erhabneres Nein gegen sich selbst
aus, als der ins Getriebe eingedreht
und verhaftet ist, wenngleich er gegen
es ankämpft. Von dieser Stufe
stammt der Adel des Pessimismus,
der Adel des Buddha. Wir wol»
len ihn nicht verkennen: es ist ein
wirklicher Adel. Es ist ein wirk--
licher echter, kraftvoller Gntwurf und
Versuch zum höheren Menschen.
Anendlich vornehmer und erfreu-
licher als der europäische Durch-
schnittsstreber, der dennoch grund-
sätzlich auf dem Wege zu höheren
Bildungen steht. Schon einfach, weil
er überhaupt weiterführt, statt sich
in sich selbst zu verzehren.

T

Der Mensch ist nicht ein ruhendes
Wesen, das erst getrieben werden
müßte, er ist allem voran selbst Trev-
ben, Bewegung, Wollen, eben Le-
ben. Setzt man ihm ein Ende, so
frißt er sich in sich hinein, wie es
der Buddhismus tut. Das erste,
was in das erwachende Bewußtsein
des Menschen fällt, ist deshalb ein
Gegenstand seines Wollens, ein Ziel.
Von der Mutterbrust, die das Neu-
geborene in rührender tzilflosigkeit,
doch bereits selbständig zu erhaschen
sucht, bis zu Zielen, die Welt und
Äberwelt umgreifen. tzierin ist das
Wesen des Menschen eingespannt.

Zwischen Wollen und Zweck. Sein
Wert richtet sich fast ganz nach dem
Wert seiner Ziele. Der Ziele, wohl-
verstanden, die er wirklich hat, nicht
derer, von denen er zu reden ver-
steht. Der Ndel liegt eigentlich erst
im Wert des Zieles, um deswillen
man nein sagt.

Es erhob sich das Problem, ob
der Wille in seiner reineren und
in größere Tiefen sich senkenden
Selbsterkenntnis ein ihr entsprechend
höheres Ziel zu ergreifen vermochte
und ihm gegenüber zufassende Kraft
werden konnte. Ob er, nachdem er
das eigene Ich dem in seinem ver-
tieften Selbstbewußtsein entworfenen
Gesicht einer Heiligeren und mäch-
tigeren Welt unterworfen und ge-
bändigt hatte, nun die Amwelt auf
dieses Gesicht Hin umzubilden, sie
diesem Gesicht nachzubilden ver-
mochte. Ob er sichtende, scheidende,
schaffende Fähigkeiten in sich zu
wecken verstand, die an diese neue
Arbeit gingen, Freund und Feind
dieses neuen Gesichts sonderten, mit
jenen bauten, diesen wehrten, die
jede verwickeltere Lage zerschauten
und auf die Anknüpfungspunkte hin
durchverstanden, die sie seiner Arbeit
boten. Diesen Weg ging das
Abendland. Das Christentum setzte
ihm ein begehrenswertes, doch Ar-
beit verlangendes Ziel: das ^Reich
Gottes^.

Auch hier lag der Adel zunächst
in der FLHigkeit, die Welt erst ein-
mal verneinen zu können. Doch trieb
die Pflicht der Bruderliebe, die im
Neich Gottes herrschen sollte, zur
zufassenden tzilfe und damit zur
Tätigkeit. Die christlichen Mönche
im Gegensatz zu den buddhistischen,
arbeiteten und erzogen. (Aus die-
sen arbeitenden Klöstern ging die
Neformation und mit ihr die be-
wußte Wendung zum Ia gegenüber
der Weltarbeit hervor.) And nun
begann der eigentliche neue Adel,
der des Dienens. In dem klassi-

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