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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 30,3.1917

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Heft 18 (2. Juniheft 1917)
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Vom Heute fürs Morgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14297#0325

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schen Wort vom König, dem ersten
Diener des Staates, am freiesten
ausgedrückt. ^

Wiederum erhebt sich von neuem
ein heftiges Nein. Das höhere Ziel
drückt sich zunächst darin aus, daß
das niedere verneint wird. Es
könnte scheinen, als brauchten wir
uns hier nicht gar zu lange zu täu-
schen. Das frühere Ziel ist zum
Mittel und Weg geworden. Wer
zwei Meilen gehen will, geht zu-
nächst die erste. Wer die Mensch-
heit als Ziel nimmt, braucht nicht
das Volk zu leugnen. So wenig als
der, welcher seine Gemütskräfte aus-
bilden will, darum zu essen und sich
Essen zu verschaffen aufhören müßte:
gerade erst in dieser Arbeit für die
Aahrung werden die inneren Kräfte
wachsen können. tzier unterscheidet
sich der erhabene Lharakter vom
Nörgler. Erst im Streit der Ziele,
erst wo das nähere dem weiteren
widerspricht, nicht der nächste Weg
zu ihm, vielleicht gar ein Abweg
ist, erwLchst der erhabene Charakter,
der entschlossen für das weitere
gegen das nähere Partei nimmt,
sich selbst für das Volk opfert. Ver-
gnügen für Pflicht, das Iahr für
die Ewigkeit. Der Nörgler derweil
will immer den ersten Schritt lieber
nicht gehen, weil er nur der erste
ist. Er schwärmt für große ferne
Ziele, weil er sich damit die nahen
erläßt. Er redet von Ewigkeits-
werten und versäumt die Pflicht des
Tages.

Rnd dennoch, so richtig das alles
ist, das Nein nimmt eine neue Ge-
stalt an: Ist das Mittel der unbe-
dingt nötige Weg zum Ziel? Das
stark empfundene Vein ist hier edler
als das nLchste erste Ia. Der Schau-
der vor der Anreinheit der Mittel.*

And ein so zugreifender, stets
durch sofort einsetzende Lätigkeit sich
rettender Lharakter wie Goethe hat

Diese edle schwermütige Sorge
um die Reinheit der Mittel gehört
den ergreifendsten, wenn auch nicht
stärksten Gestalten unsrer Erden-
menschheit an, macht sie tragisch.
Das Problem der Schuld. Wer
tätig ist, zieht Schuld auf sich. Und
mancher zerbricht Hier. Er stirbt
nicht umsonst. Der Weg der Mensch-
heit braucht diese Opfer, um nicht
ins Gemeine abzugleiten. Doch gilt
auch hier im Geistigen das Gesetz,
daß der höhere Typus sich am Le-
ben erproben muß: sonst stirbt er
ganz aus oder erliegt höheren For-
men. Der buddhistische Wensch ist
unterlegen; der selbstquälerische
kann sich, wenn er dabei bleibt,
auch nicht auf die Dauer bewähren.
Gräbt er etwas tiefer in seiner
Selbstprüfung, so darf er finden, daß
man sich eigentlich nur in verstärkter
Tätigkeit reinigt.

(A

Wir schließen ab: Der Adel des
Pessimismus, der zuerst das Mcht-
Ich, dann die Weltverflochtenheit,
dann die Anreinheit der Mittel
leidig empfindet, verwandelte sich
uns in den eigentlichen Adel eines
dreifachen das Nein überbietenden
Ia: des Iasagens zur eignen Selb-
ständigkeit, zu einer Vereinigung
aller selbständig gewordenen erlösten
Geister („Reich Gottes") und endlich
zur Ausbildung einer selbstlosen
sachlichen Gesinnung, um das Ziel
zu erreichen.

Der Wensch bleibt Bewegung und
ein Pfeil in die Zukunft. Der wirk-
liche starke Wille hat etwas von
der Anerbittlichkeit und Zähigkeit
alles Lebens) das eher um den Stein

dem Drauflos-Ia den Liefen, warnen«
den Aohn entgegengehalten:

„Das geht so fröhlich
'Ins Atlgemeine!

Ist leicht und selig,

Als war's auch reine."

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