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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 30,3.1917

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Heft 16 (2. Maiheft 1917)
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Vom Heute fürs Morgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14297#0204

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und lerdet und herrscht rn Frei--
hert.

Man sprrcht so viel von Mo-
nismus und Notwendigkeit der
„Einheitschau" und wie es sonst
heißt und sucht dann die Linheit
rückwärts, wo sie uns nichts an-
geht, in irgend einer Grundsuppe
des Seins, die auseinanderläuft
in Millionen Linzelwürnrer, welche
eine Zeitlang über die Erde krie«
chen, bis sie so klug werden, zu
erkennen, daß sie aus einem und
demselben Stoff kommen, über wel«
cher Erkenntnis sie von Freude und
Stolz befriedigt abfahren. Es rinnt
alles auseinander, wie auch die
Welten selbst, auf denen es im
Zufallspiel sich zusammenbuk. Erst
da kann doch von irgend einer Ein-
heit, um die es sich lohnt, die Rede
sein, wo eine Einheit am Ziel steht.
Eine solche Einheit erhoffen wir
und wir kämpfen um sie. Nicht
also eine tote Eins, die von etwas
handelt, das in urvordenklichen Zei-
ten dagewesen sein soll, sondern ein
vielfach aufeinander einfließendes
Gesamtsein, das zur Einheit um-
faßt alles, was da ist, was wider--
einander ist, und obwohl es wider-
einander ist. Kurz, nicht auf eine
Einheit in Gedanken kommt es an,
die sich nicht einmal auf Gegen--
wart und Zukunft beziehen, sondern
auf eine Einheit, die uns sehr an-
geht, weil wir sie schaffen sollen.
Das einige Reich aller auseinan-
derstrebenden Kräfte: im Menschen-
leib, daß er nicht von jedem äuße-
ren Anstoß sich bewegen lasse, son-
dern einem einigen inneren Willen
straff gehorche, und im Menschheit-
leib, daß er seine Einzelorgane nicht
widereinander wüten, sondern sich
stützen und stärken lasse. Nach die-
sem Reich haben die Menschen
lange ausgeschaut. Iesus nannte es
das Himmelreich oder Reich Gottes.
Da fahre er hin, sagten die Seinen,
von da aus regiere er ihre tzerzen

und Sinne, damit das Reich in
ihnen entstehe.

Alles Schaffen auf Erden ist ein
Amordnen. Alle großen Entdeckun-
gen bestehen darin, daß die Ele--
mente, Stoffe, Kräfte in Verbin--
dungen gesetzt werden, in denen sie
zu neuen Wirkungsweisen frei wer--
den. So steht es mit dem Reich,
das wir schaffen sollen. Zusam--
menhänge, in denen jeder Ein--
zelne die höchste Fähigkeit bewähren
kann, die ihm eignet. Lin Reich
der Erlösten; denn in dem Maße
ist jeder erlöst, als seine Kräfte
ungehemmt zur Auswirkung kom--
men.

Man denke aber daran, wieviel
Iahrmillionen wir nötig halten, da--
mit aus einfachsten Versuchsorga--
nismen nach immer erneuten Ent--
wicklungsansätzen die höchst zusam»
mengesetzte wohlgeordnete Men--
schengestalt als Träger einer neuen
Lebensform dastand. Die Erfolge
jener Entwicklungsversuche blieben
links und rechts des Weges der
werdenden Menschengestalt stehen.
Abenteuerlich, plump, verzwickt, tau-
send- und millionenfach unterschie-
den, Würmer, Seesterne, fliegende
Fische, Arweltdrachen und riesige
Mammute, ausgestorbene Formen
und noch lebende, vom Meeres-
urschlamm eine Meile tief, bis zum
Adlerflug eine Meile hoch. Iede ein
eigner Versuch, zur Höchsten Ent-
bindung organischer Kraft zu kom--
men. Alles dies Leben trieb sich
in wütendem Kampf ums Dasein
von Stufe zu Stufe hinauf. Zwi-
schen allen den Millionen Tier-
geschlechtern rinnt es von Blut.
Auch zwischen den Menschengeschlech--
tern, indem sie ihre Kräfte höher
treiben. Es soll niemandem ver-
dacht werden, wenn er darüber eine
tragische Ansicht vom Leben ausbil-
det. Auch nicht, wenn er die Augen
dem verschließt. Nur das: sie zu
verschließen, um dann billige Moral
 
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