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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 30,3.1917

DOI Heft:
Heft 15 (1. Maiheft 1917)
DOI Artikel:
Schumann, Wolfgang: Friedenserhaltung und Friedensgestaltung, 2
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https://doi.org/10.11588/diglit.14297#0148

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geben kann. Mrllronenmal so viel wie der größte Einzelne leistet still-
schweigend die Gesamtheit. Die ungeheuersten Leistungen der Zukunft
werden nicht Einzelne, sondern Genossenschaften vollbringen. Das ist die
höchste Möglichkeit, der unglaublichste Traum der Friedensfreunde, daß
sie den Frieden stiften könnten. Nicht durch ein ausgedachtes System mit
Wenn und Aber, sondern durch den demütigen, unermüdlichen Versuch
zur Tat. Fünfhundert Menschen, die zehn Iahre, tausend Menschen, die
ein Menschenalter „im Frieden" gelebt, so viel von der Lebensordnung
des wahren Friedens verwirklicht haben, wie ihre Verflochtenheit in
das internationale Leben zulaßt, werden v'ielleicht für die Menschheit
mehr bedeuten, als alle Religionen und Philosophien aller Zeiten. Ge-
wiß werden sie das bedeuten, wenn sie wirklich und wahrhaftig die
Bedingungen des wahren Friedens durch ihre Taten gefunden haben.
Dann wird ihr Beispiel unwiderstehlich sein. Dann sind sie „Abermen«
schen^, sofern das verbrauchte Wort mit neuem Sinne erfaßt wird. Stehen
sie dann statt der seufzenden Kapitalisten, der mühsam klügelnden Schrift-
steller und Iuristen, der ideologischen Phantasten und der unwissenden
Menschenfreunde in und hinter der Friedensbewegung, dann wird sie
mit Riesenschritten die Menschheit gewinnen.

Und ist diese Idee nicht selbst „ideologisches Phantasma"? Das wird
davon abhängen, ob die Idee des Friedens stark genug ist, auch nur
ein paar hundert Menschen bis an den Rand ihrer Seele auszufüllen.
Bis jetzt war sie es nicht. Die bisherige Friedensbewegung bat ihre
Träger persönlich freigelassen. Auch sie, wie die Wissenschaft, war ein
Kind einer friedlosen Zeit. Der erste Weltkrieg aber scheint Vielen
eine tiefe Wandlung der Menschen zu versprechen. Die tiefste würde
sich zeigen, wenn eine Anzahl von Begabten zu wirken begönne, die
in der Tat vom Friedensgedanken ganz erfüllt wären. Solche, die Frie«
den machen wollen; die es zehnmal, immer wieder mit einem neuen
Lebensordnungversuch beginnen; die beim elften Male noch vollkommene
Friedensfreunde sind; die glauben, daß die vordersten Vorläufer der
Menschheit den wahren Frieden entdecken müssen und dann sagen, es
sei nicht schwerer gewesen, als ein Li auf die Spitze zu stellen. — Ob
dem Pazifismus von heute ein Teil solcher Lebenskraft innewohnt, mag
man bezweifeln. Vielleicht werden ganz „neue MLnner" die Träger des
Pazifismus von morgen sein. Die Forderung „Frieden zu machen" läßt
sich nicht als Anweisung für die Pazifisten schlechthin aufstellen. Nur so
viel an Pflichten erwächst jedem Friedensfreund, sich um Lrkenntnis des
Wesens einer „Lebensordnung" zu bemühen und Ursachen und Folgen
der Lebensgestaltung zu durchdenken. Das systematisch, mit allen Mitteln
und Kräften zu tun, ist danach eine der praktischen Aufgaben der Frie-
densbewegung: eine Lehre vom Leben alsVorstufeeinerLehre
vom Frieden. ^ .

/Qiner, der selbst zu ihnen gehört, soll während des Krieges gesagt
^haben, die Mächtigen der Erde hätten schon längst nicht genug für den
Frieden getan. Lbenso wahr ist, daß wir alle nicht genug für ihn getan
haben. Keine Stunde, die uns dringende Erwerbarbeit freiließ für Frie»
densförderung, durften wir verlieren. Iahre und Iahrzehnte Haben wir
verloren. Kommen nun die Kämpfenden Heim mit der Frage: was habt
ihr getan? so soll es unser Stolz sein, antworten zu können: nach unsern
 
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