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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 30,3.1917

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Heft 16 (2. Maiheft 1917)
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Vom Heute fürs Morgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14297#0207

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schichte, durch welche nur ab und an
der purpurne Strahl Hebbelscher
Tragrk blitzt.

Einige Beispiele von Versäuin-
nissen mögen dartun, was gemeint
ist.

Die Burgunden: ein königliches
Geschlecht, groß, tapfer, gehärtet in
tausend Schicksalschlägen, aber ge--
lähmt durch furchtbares Verhängnis.
Es ist „der Teufel, der das Blut
regiert, auch noch in ihnen mäch-
tig"! Macht man nun aus Gun«
ther den hergebrachten blonden
Dummkopf, der weinerlich und
schwächlich mit Hagen „zankt", einen
unmündigen und unwürdigen Er«
ben im Purpurmantel, läßt man
ihn vom ersten Salonstückspieler
oder Naturburschendarsteller geben,
so ist sogleich die Ebene vom ersten
Stock in den Keller gelegt. Treten
Gerenot und Giselher gleich ober--
bayrischen „Raubersbuam", ohne
jene Mindestzüge königlicher tzal--
tung und adliger Selbstbeherrschung
auf die Bühne, so sinkt eben dar--
um das Gewicht des Schicksals eines
großen Stammes nieder, und ein
Familienunglück tritt an seine
SLelle. — tzagen: der viertstärkste
tzeld der Erde, gekerbt von tausend
Schwertstreichen, ein Mann aus käl--
testem Eisen und heißestem Feuer,
scharf geschnittenen Gesichtes, jede
Bewegung zeugend von körperlicher
Durchbildung, der erste Ritter eines
großen tzofes, nicht geschniegelt und
gebügelt, aber immerhin eine voll«
endet vornehme Persönlichkeit auch
im Außeren. In unsrer Auffüh--
rung kam er mit wüstem tzaar und
Bart zu tzofe, matt in der Bewe--
gung, waldmenschenhaft im Gesamt«
anblick, breit, behäbig, in weitem
Mantel und bequemer Kleidung.
Nichts von Annahbarkeit, eine „On«
kel"--Atmosphäre um sich breitend,
die das ganze tzagensche Tun und
Reden als unwahrscheinlich, die in-
nere Burgundentragödie als betrüb«

liches Mißverständnis erscheinen
ließ. — Das sind nur vier Gestalten
eines Stückes, das noch manche
wichtigen Anderen auf die Bühne
bringt. Aber stehen sie nicht fest,
so ist es selbst dann um das Werk
geschehen, wenn die Anderen ihre
Bestimmung erfüllen.

Fünfter Akt. Ein „letzter tzerbst,
der alle Formen der Natur zer--
bricht". Das grausig-blutige Ende
eines Weltenjahres, das aufzuhalten
ein Dietrich von Bern verzweifelt.
Aus Brand und Rauch werfen die
Burgunden Leichen erschlagener
Feinde: „Die meisten sind nur noch
an ihrem Panzer zu erkennen, der
tapfre Iring flog der Schar voran.
tzerr, geht nicht hin, Ihr könnt ihn
doch nicht küssen, sein Kopf ist ganz
verkohlt." Ein Spielleiter, der statt
Blutlachen und verkohlten Leichen
hier gut heunisch gekleidete Statisten
mit rosigem Fleischton im Gesicht
liegend gruppiert, wählt die Atmo«
sphäre falsch und damit vielleicht
das Wichtigste. — Nur tzagen unD
Gunther leben noch. Von Etzels
Mannen allein noch der Berner
Dietrich. Es ist an ihm. Der
letzte, entscheidende Kampf wird vom
Dichter (durch tzildebrands Worte)
sorgsam beleuchtet. Dietrich ersteigt
die blutgetränkten Stufen, behelmt,
bewehrt. Ietzt hören wir die letz--
ten Schwertschläge, das furchtbarste
Achzen, jetzt ist der letzte Nerv
Kriemhilds, Etzels, Hildebrands am
Reißen, maßlose Spannung be«
herrscht die Bühne, über die das
Schicksal in eigner Person geht. In
unsrer Aufführung ist Dietrich wie-
der da, ehe man sich's versieht, ehe
man etwas hört, unbespritzt, unbe«
rührt. Die letzten Burgunden stan-
den offenbar bereits hinter der
oberen Soffitte, vom Theaterdiener
gefesselt, „zur Abholung bereit"! —
Die Tragödie schwingt aus. Eben
ist tzagen von Kriemhilds Streich
gefallen, da stürzt sie selbst unter

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