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Beck, Paul [Hrsg.]; Hofele, Engelbert [Hrsg.]; Diözese Rottenburg [Hrsg.]
Diözesan-Archiv von Schwaben: Organ für Geschichte, Altertumskunde, Kunst und Kultur der Diözese Rottenburg und der angrenzenden Gebiete — 1.1884

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Brinzinger, Adolf: Geschichtliche Notizen über einige im Umfang des jetzigen Landkapitels Stuttgart gelegene Pfarreien, Kirchen und Klöster, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.20207#0031

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in seiner Privatwohnung gestattete. Wenn er abwesend oder
der Gesaudtschaftsposten erledigt war, mußten sie ihre religiösen
Bedürfnisse in den benachbarten zwei katholischen Pfarreien
Hosen a. N. und Oessingen zn befriedigen suchen. „Württem-
berg war damals", wie Golther sagt, „ausschließlich protestantischer
Staat, die evangelische Konfession Staatsreligion. Der katholische
Gottesdienst war verboten, die Katholiken aber verpflichtet,
die evangelischen Feiertage zu halten und die evangelischen
Kirchen und Schulen zu besuchen. Alle Parochialhandlungen
von katholischen Geistlichen waren ausgeschlossen. Sogar das
Begräbnis; der Katholiken sollte nur in der Stille stattfinden."
(ctr. Golther, L., Der Staat und die katholische Kirche im
Königreich Württemberg. Stuttgart, Cotta 1874. S. 26.).
So blieb es etwa 200 Jahre lang mit Ausnahme der Zwischen-
pause des Interims, in Folge dessen vom 15. August 1548
bis 13. August 1552 in der Stiftskirche die Messe wieder
gestattet wurde. Als aber 1733 Herzog Karl Alexander die
Regierung antrat, welcher kaiserlich österreichischer Feldmarschall
gewesen und in Wien katholisch geworden war, „nahm er in
seinen Religionsreversalien das Recht zur Haltung von katholi-
schen Hofpredigern und zur Feier des katholischen
Gottesdienstes in einer Hofkapelle in Anspruch,
mußte aber doch versprechen, die Stuttgarter Hofkapelle den
Evangelischen zn lassen und den Gottesdienst der Ludwigsburger
Katholiken nicht über die Schranken einer Privatandacht aus-
zudehnen" (ctr. Golther I. o. S. 27). Ludwigsburg war
zweite Residenz damals. Den katholischen Gottesdienst, den
die Herzoge im alten Schloß halten ließen, zu besuchen, wurde
den Katholiken Stuttgarts erlaubt; außerhalb'der Schloßkapelle
aber durften die herzoglichen katholischen Hofkapläne keine
Kulthandlungen vornehmen. Diese Hoskapelle bestand im Ganzen
64 Jahre lang mit abwechslungsweise 44 Geistlichen auch unter
den folgenden drei katholischen Herzogen, den Söhnen Karl
Alexanders, unter dem berühmten Herzog Karl Eugen
(1737—93) und seinen Brüdern Ludwig Eugen (1793—95)
und Friedrich Engen (1795—97). Am 23. Dezember 1797
starb letzterer am Sckllagfiuß zu Hohenheim und es folgte
ihm sein Sohn Friedrich II., 1797—1803 Herzog, dann Kur-
fürst, 1806—16 als König in der Regierung Württembergs.
„Bis zu seinem achten Lebensjahre war er katholisch erzogen
worden, dann aber aus Veranlassung des Königs Friedrich II.
von Preußen, wie seine übrigen Geschwister, später protestantisch"
(ctr. Neher, Personal-Katalog des Bisthums Rottenburg.
Gmünd 1878. S. 281). Jetzt gieng die Hofkapelle ein und
der katholische Gottesdienst wurde gestattet im Auditorium der
Karlsakademie, der späteren Hoskirche. Am 19. Januar 1798
bewilligte Herzog Friedrich im Einverständnisse mit den Land-
ständen die Einräumung eines Bethauses mit einem Prediger
und Vikar, und 1808 wurde dafür die St. Eberhardskirche
errichtet, worüber wir später näheres berichten werden.
Durch einen günstigen Zufall entdeckten wir ein altes Manu-
skript, betitelt: „Buch zur Herzoglichen Sakristei,
woruack sich der jedesmalige Hosmeßner zu richten hat, angesangen
vom Weihnachtsfest 1788 vom dermaligen Hosmeßner B.
S ch au p p". Einige Kuriosa hieraus werden vielleicht manchem
Leser des „Archivs" neu und interessant sein. Leider sind die
Auszeichnungen nur sehr sparsam geschehen und reichen nur
bis zum Jahre 1797. Es ist hier beschrieben unter anderem:
n) Das Fronleichnamsfest von 1 7 90. „Am
Tag vor Corpus Cllriski wird die Kapell auf's säuberste gepuzt
und den Mägden des Hrn. Kastellans eine Taglöhnerin zugegeben,
welche 20 kr. erhält, den 2 Ministranten wird einem jeden ein
schwarz Band gegeben, mit diesem läßt er sich statt eines Zopfes

2 Rollen und eine Masche machen, recht sauber srisircn, und be-
kommt ein jeder fürs frisiren und ministriren 20 kr., der Hosmeßner
5 Maas Tafelwein und 10 Brote, auch ein Theil Wachs, ferner
läßt er sich ans der Silber-Kammer verschreiben: 18 Stück
Tafelleuchter auf die 3 Altäre, 50 Stück 4rer Tafelkerzen aus
diese Leuchter und für die Cnvnliers und IMmes, 136 Stück
8ter fürs Volk zum austheileu, 50 Stück 10er nach Ludwigs-
burg. Am Fest Corporis Cllristi ist früh um 8 Uhr eine
hl. Messe, die Prozession sängt um 9 Uhr an, wozu diesmal
7 Priester kommen, der erste im besten Pluvial, der das
Venerabile trägt, die 2 folgenden in Pluvials, die 4 letzten
in Levitenröcken. Wann Serenissimus zur Glasthüre herein-
kommen, so müssen gedachte Priester, Meßner, Pages, deren
diesmal 8 waren und die Ministranten an der Thüre stehen,
der Meßner mit dem silbernen Weihkessel, der Priester über-
reicht Serenissimo das Weihwasser, daun gehen sie wieder in
die Sakristei herunter, unterdessen werden 3 Strophen vom
Abendmals-Liede gesungen, nach diesem wird der hl. Segen
gegeben unter Anstimmnng des Liedes preiset Lippen, welches
die ganze Prozession über gesungen wird. Serenissimus tragen
eine Ipfündige Kerze, die Priester ll2psündige". 1792 beschreibt
Schanpp den Gang der Prozession also: „der 1. Altar war
nuten in der Türniz, der 2. im schönen Rondell, der 3. im
Kaisersaal und der 4. in der Kirch, nachher Hochamt mit
Segen."
b) „Das hohe Gebnrissest Serenissimi wird in
der Hoskapelle gehalten, um 8 Uhr eine hl. Messe, 10 Uhr
Predigt und nach derselben hohes Amt lmit Pauken und
Trompeten, fügt Schanpp öfters hinzu) und De Oeum. An
diesem Tag wird das Silber aufgeslellt, das Venerabile aus-
gesetzt, auch der beste Oruat genommen: zum Amt kommt
1 Priester, 1 Archdiaconus, 2 Diacoui, 2 Ministranten."
c) Kaiser Joseph II. besuchte am 7. April 1777 den
Herzog Karl Eugen in Stuttgart; als er 1790 20. Febr.,
starb, ließ letzterer ein feierliches Requiem halten,
welches Schanpp also schildert: „Den 9. April 1790 wurden
ans gnädigsten Befehl Serenissimi die Exeqnien für den Kaiser
Joseph II. gehalten. Zu diesem Ende wurden 2 Emporkirchen
neu gebaut, die eine für die Onmes, die andere für die
Cnvnliers, welche nebst dem Fürsten-Stand, Altar, Kanzel
und Musikstand schwarz behängt wurden, auch wurden unten
in der Kirche alle Stühle schwarz behängt, es durste niemand
in die Kirche, als jene, die schwarz angekleidet waren. Zwischen
dem Altar und Fürsten-Stand wurde ein großer Sarg aufgestellt,
welcher mit dem sammtneu Leichentuch und Wappen behängt
wurde, am Kops des Sarges stunden erhöht aus sammtneu
Kissen 3 Kronen, nemlich die Kaiserliche, Ungarische und der
ErzHerzogshut, die mit schwarzen Flören bedeckt waren, ans
dem Sarg war in der Mitte das silberne Crucifix, vor und
hinter demselben 6 silberne Leuchter mit ^Mündigen Kerzen,
neben dem Sarg aus zwei Staffeln, und so auch vornen am
Sarg aus zwei 'Staffeln lauter silberne Leuchter mit llöpsund-
kerzen in allem 74 Stuck Leuchter, auf dem Altar 6 große
silberne Leuchter. Die Predigt fieng um 11 Uhr an, woraus
feierliches Reqniem-Amt folgte mit 1 Priester, 2 Archdiakoni,
4 Diakoni, der Hosmeßner und 8 Pages, die Ministranten
dursten auf ausdrücklichen Befehl Serenissimi nicht mit zum
Altar, sondern stunden hinter demselben, zwar angezogen, aber
ohne Kerzen: uach den: Amt gieng man unter dem Libera zum
Sarg, nemlich der Osfieial, im besten Pluvial, 2 Archdiaconi
im Pluvial, 4 Diacoui in Leviten-Röcken, Meßner und 8 Pagen.
Die Kirch und Kapell blieb bis ans den 2. May schwarz
behängt, der Altar und Stühle aber nicht."
 
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