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Beck, Paul [Hrsg.]; Hofele, Engelbert [Hrsg.]; Diözese Rottenburg [Hrsg.]
Diözesan-Archiv von Schwaben: Organ für Geschichte, Altertumskunde, Kunst und Kultur der Diözese Rottenburg und der angrenzenden Gebiete — 1.1884

DOI Artikel:
Brinzinger, Adolf: Geschichtliche Notizen über einige im Umfang des jetzigen Landkapitels Stuttgart gelegene Pfarreien, Kirchen und Klöster, [6]: Die Pfarrei Altenburg-Cannstatt
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https://doi.org/10.11588/diglit.20207#0101

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Geschichtliche Notizen über einige im Nmsang
des jetzigen Uandkagitels Stuttgart gelegelle
Pfarreien. Riechen und Richter.
Mitgetheilt von Kaplan Brinzinger.
(Fortsetzung.)
0) Die Pfarrei A lte n b n rg - C a n n st a t t.
(sannstatt gehört zu den ältesten Orten Schwabens.
Magister Jakobns Frischt in, ein Bruder des berühmten
Nikodemus Frischlin, hat als einstiger Präzeptor von (sann
statt uns die älteste Beschreibung der Stadt hinterlassen in
einem Mannstript von 1580, betitelt: „Vom Ursprung, alten:
Herkommen und erbawnng der Fürstl. Württenb. Statt Cann-
statt am Neckar, der Statt Anfang, und der Amptsslecken Be-
schreibung und knrtze erzehlnng" ic. Frischlin behauptet hier:
„im Jahr 302 habe diese Statt Cannlns, ein König von
Schwaben, erbawen." Der Auditor Casp a r t behauptet
sodann in seiner handschriftlichen Topographie Württembergs
vom Fahr 1748, das; „die Stadt die größte in Schwaben und
im Fahre 110 die Residenz des Königs Marcomannns und
290 Residenz des Königs Badomannns von Schwaben ge-
wesen sei." Beide seltsamen Hypothesen sind selbstverständ-
lich historisch unhaltbar nnd G abelkhofer wird Recht haben,
wenn er sagt: „Wer Cannstat anfänglich gebanen, ist nicht
allein schwehr, sondern wohl gar unmöglich anznzeigen." H
Unzweifelhaft sicher aber ist, daß Cannstatt einst eine Römer
Niederlassung gewesen ist, wofür die vielen Ausgrabungen von
römischen Alterthümern, Inschriften, Münzen, Töpferwaaren,
Badüberresten nnd Gräbern, welche in nnd bei Cannstatt, be-
sonders zahlreich ans dem sogenannten „Altenburger Feld"
gefunden wurden, unwiderlegliches Zengniß ablegen. H Die
Stadt war die dritte Hanptslation der Römer am Neckar,
nebst Rottweil (Bruc Clnvine) und Rottenbnrg (.8un:clo-
cmnnn oder Üunnttocennne) auch strategisch bedeutsam, Haupt-
knotcnpnnkl mehrerer Olömerstraßen, das Clnrenira der Pen-
tingerischen Tafel, wie ältere Forscher meinen, während neuere
Clnrcnnn anders ertlärcn wollen. Bon der alten ans einer
Anhöhe hinter der jetzigen Neckarvorstadt gelegenen römischen
Ansiedelung „Allenbnrg" (von nltrm hoch nnd Uurc — Burg,
ccmtruln also — hochgelegene Burg), welche einstens wie
die anfgcfnndenen Ntanern vermnthen lassen, von großem Um
sang gewesen sein »niß, ist seit mehreren Jahrhunderten nichts
mehr übrig. Doch hat sich „das Anbeuten des einstige:: Orts
Altenbnrg noch in vielen Dingen erhalten; noch jetzt heißt
der Weg aus jene Anhöhe die Altenburger Steig, der Kirch-
hof ans derselbe:: der Altenburger Kirchhof, die Güter, die
dort liegen, die Altenburger Güter, nnd das ganze Feld das
Altenburger Feld." H Cinstenö stand dort eine Burg, deren
Ruinen wahrscheinlich noch Anfangs des 17. Jahrhunderts
übrig gewesen sind; denn Frischlin spricht davon, wie wenn
das Scblotz selber zu seiner Feit noch gestanden hätte. „Der
andre Thcil der Statt, sagt er, ist die Borstatt . . . hat eine
alte Burg ans der höhn, haißt »och ans diesen Tag Alten-
bnrg." In der Nahe des jetzigen Altenburger Kirchhofs stand
einstens eine den: hl. Martinns geweihte Kirche, genannt „die
Altenburger Kirche". Ihre Gründung fällt wahrschein
' lich in die fränkische Zeit, denn die Franken wählten fränkische,
nicht auswärtige Heilige zu Kirchenpatronen. Martinns, der
0 Memminger, Cannstatt und seine Hingebung. Stuttgart, Metzler,
1812, S. üb. 2) Dr. Paulus, Königreich Württemberg 1882, S. lüü
nud Dr. Kourad Miller, Programm des Realgymnasiums Stuttgart
1884 ,,Die römischen BegräbuWätteu in Württemberg" S. 6 und
20. 3) Memminger 1. c. S. 138.

berühmte hl. Bischof von Tours, war im Reich der Franken
besonders hoch verehrt, er ist Schutzheiliger vieler Kirchen
Schwabens nnd patronus ecclcsme /Vlteubur^enÜZ. Jeden-
falls war das Christenthnm schon Anfangs des 8. Jahrhun-
derts in die Gegend von Cannstatt gedrungen, denn 708
schenkte der unter fränkischer Oberherrschaft stehende Herzog
Gotefrid (dessen Urenkelin Hildegard 771 Gemahlin Karls
des Großen nnd 778 Mutter Bidwigö des Frommen wurde),
ans Bitten des Priesters Magnlf von St. Gallen dem Kloster
zu St. Gallen den abgegangenen Ort Biberburg (— Nriebnrg
von Nengart erklärt, oder — Brie, welches mit Altenbnrg zun:
alten Cannstadt gehörte; nach andern lag Biberburg bei Mühl-
hausen) »UiUcrbur^un: vicuin c:U Xeccurum« zur Unter
Haltung des Gottesdienstes, hauptsächlich für Anschaffung von
Kerzen (luminaria, was aber auch ccclcmne indricn bedeuten
kann). Diese Urkunde ist ansgestellt worden in Cannstatt
7Vctu::: C.an8tatt ntt Xcccnrum. H „So erscheint uns diese
Stadt Würtembergs schon in: Jahr 708 als eine Billa eines
christlichen Herzogs, und darum sind wir auch berechtigt, dieser
Billa schon sehr frühe eine christliche Einwohnerschaft zuzu-
schreiben." H 746 hielt Karlmann, der Sohn des berühmten
Karl Martell Gericht über die rebellischen allemannischen
Großen ans der Malstätte (---- Gerichtsstätte) bei Cannstadt
(in loco cjui Uicitu Conclmttck). Diese Gerichtsstätte, später
noch bis 1333 als Landgericht der Grafschaft Württemberg
fortbeslehend, lag ans der Altenburger Höhe zwischen Cann-
statt nnd Znfsenhansen nnd wurde genannt „beim Sttein". H
So frühe schon finden wir den Namen von Cannstatt. Alten
bürg erscheint in den Urkunden zwar erst im 13. Jahrhundert
als bedeutender Ort, ist aber selbst jedenfalls viel älter. Zur
Altenburger Pfarrkirche gehörten bis 1321 außer Altenbnrg
nnd der Borstadt Brie die Filialien Berg, Gaisbnrg^Gablen
berg, Wangen, Robracker nnd Sillenbuch, ja selbst Stuttgart.
F»I Ilttcr (lcciumtioni.8 1275 wird TVltcnUcir^-Ltuo^nrtcn
znsammengestellt, H letzteres also als Filial Altenbnrg znge-
zählt. Altenbnrg gehörte zum Bisthnm Konstanz, das nicht
weit hinter Altenbnrg seine Grenze hatte. Cs war in das
Archidiakonat „unter de»: Wald" eingetheilt nnd gehörte zum
Tandkapitel Cannstatt, welches unter den 16 Kapiteln des
Archidiakonats das größte war nnd über 64 Orte nnd Kirchen
umfaßte nach den Angaben von Nengart nnd Manlins. H Das
Vandtapitel Cannstatt wird in den alten Urkunden auch Cn-
j)itulun: ttc üniittclini:: oder WciUlin^.crmc genannt, der
Name Cannstatter Kapitel aber ist der häufigere. 1280 war
der Pfarrer Ucrtliolttrm in Bütenduc zugleich Uccanus.
Als Patronatsherrn der Kirche werden genannt im 13. Jahr-
hundert 1289 Wolfram von Bernhansen, dann die Cdeln von
Cchterdingen, 1316 Ritter Swigger von Blankenburg, der in
Mühlhausen eine Burg hatte, nach ihm seit etwa 1320 Graf
Cberhard 1. von Wirtemberg. In: Mai 1311 zertrümmerten
die Städte Cßlingen nnd Gmünd das Stammschloß der Grase»
von Wirtemberg nnd das Crbbegräbniß zu Bentelspach wurde
beschädigt. Deswegen beschloß Graf Cberhard, das Familien-
stift und die Gräber seiner Ahnen nach Stuttgart zu verlegen
in die dortige Heiligtrenzkirche. Als Cberhard 1320 von König
Friedrich dem Schönen von Oesterreich zu Papst Johann XXll.
nach Avignon als Gesandter geschickt wurde, betrieb er auch
die von ihm geplante Berlegnng des Stifts Bentelspach, welche

Loüex NtzNom. ^lein. I nr. 6 p. 9. Hefete, Ge-
schichte der Cinfntzrnng des Christentynms im südmestl. Deutschland, be-
sonders in Würtemberg. Tübingen, Lanpp, 1837, S. 3ll und 389.
Ngl. Statin, Würt. Gesch. 1, 183 ff. und Grimm, N.-A. S. 802.
Z Vgl. Frib. Diöz.-Archiv l, Ott. ch Memminger 1. c. S. 81 ff.
 
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