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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 69.1931-1932

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Hildebrandt, Hans: Alfred Lörcher - Stuttgart
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https://doi.org/10.11588/diglit.7203#0052

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ALFRED LÖRCHER—STUTTGART

»SITZENDER MANN« TERRAKOTTA

eher stoßen wir in seinen Münchener Tagen auf
Adolf Hildebrand, dessen überragendem Geist
und dessen Gestaltungssicherheit sich auch jene
nicht entzogen, die sich bald von seiner Vorliebe
für Altertum und Renaissance freimachten. Ihm,
Lörcher, dankte auch er die Klärung über das zu-
vor nur gefühlte und geahnte Wesen der Plastik.
Den Schritt zur Neuen Kunst erleichterten ihm die
Archaische Plastik der Griechen und die Etrus-
kische Skulptur, während er Michelangelo und
die Meister des Barock als ihm wesensfremd emp-
fand. Daneben fühlte er sich hingezogen zu der
sanft beseelten Anmut und innerlichst beglückten
Harmonie des Malers Fra Angelico.

Ein sicherer Instinkt leitete Lörcher so zudem,
was seiner eigenen Natur gemäß war. Denn diese
verlangt zugleich nach der Strenge einfacher,
elementarer Gesetzmäßigkeit wie nach Anmut.
Jede heftige innere oder äußere Bewegung, jede
Art von Übersteigerung liegt ihr fern. Unter den
zahlreichen, in feinem Flachrelief ausgeführten
Medaillen, die Lörcher namentlich während der
Kriegsjahre fertigte, sind die ruhigsten, und die
am wenigsten erzählen wollen, auch die besten.
Schon hier treten zwei Eigenschaften hervor, die
bezeichnend sind für Lörchers ganzes Schaffen:
die selbstverständliche Abwendung von jedem

„literarischen" Motiv und das sichere Gefühl für
das eigentlich Plastische. Denn wie ihn ein längst
zu Bewußtheit erhobener Instinkt die Gebilde
eines Reliefs nur so wenig über die Grundfläche
herauszumodellieren heißt, daß sie mit ihr zur
Einheit verwachsen, so befiehlt er ihm auch, bei
vollplastischen Gebilden auf die Ur- und Grund-
formen der Körperhaftigkeit zurückzugehen. Als
raumerfüllende Körper künden sie in eindeutiger
Klarheit die Drei-Einheit unserer Raumvorstel-
lung: Bewegung in Höhe, Breite und Tiefe. Nach-
wirkungen eindringender Beschäftigung vor allem
mit etruskischer Kunst treten insbesondere bei
den sitzenden Gestalten oder auch bei jener schö-
nen Doppelgruppe liegender und halbaufgestütz-
ter Figuren zutage. Doch handelt es sich um keine
Nachahmung bei solcher durchaus nicht ver-
schleierten Verwendung früher schon gebräuch-
licher Grundmotive. Lörcher versteht es, mit
feinem Gefühl das ursprünglich Elementare der
Differenziertheit des heutigen Menschen anzu-
gleichen. Man verfolge diesen Vorgang etwa bei
dem sitzenden Manne von 1930.

Je weiter Lörchers Schaffen fortschreitet, desto
freier wird es, desto sicherer weiß er die tekto-
nische Gebundenheit in der Musikalität gleiten-
der Formenmelodien zu lösen. Die beiden Kna-
 
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