Vom Objecte der vergleichenden Anatomie.
Thier und Pflanze.
§10.
Indem die Aufgabe der vergleichenden Anatomie in den Beziehimsen
der Organisation der Thiere gegeben ist, wird es zur Bestimmimg des allge-
meinen Objectes nöthig sein, auf die Frage einzugehen, ob und in welcher
Weise die beiden Beiehe der organischen Natur von einander sich abgrenzen,
und ob Thier und Pflanze von einander fundamental verschiedene Organismen
seien. Je nach dem eine geringere oder grössere Summe von Erfahrungen um-
fassenden Zustand der Wissenschaft sind diese Fragen verschieden beantwortet
worden. So lange man in beiden Beichen nur die differenzirten Zustünde im
Auge hatte, war es leicht, für die Begriffe Thier und Pflanze bestimmte
Charakteristika zu finden, und so beide Reiche von einander getrennt zu
halten. Je mehr die fortschreitende Erkenntniss auf niedere Organismen,
deren Bau und Lebenserscheinungen aufhellend, sich ausdehnte, desto mehr
mussten die vorher aufgeführten Schranken geändert werden, bis sie endlich
gänzlich fielen. Man musste anerkennen, dass die früher und zwar immer
subtiler aufgestellten Unterschiede keine durchgreifenden waren, dass Eigen-
tümlichkeiten, die vordem in einem der beiden Reiche beobachtet waren,
in dem andern keineswegs fehlten, ja sogar bei ganz entschiedenen Angehö-
rigen dieses Reiches in deutlicher Ausprägung vorkamen.
So begründete sich allmählich die Anschauung, dass Thier- und Pflan-
zenreich in ihren einfachsten Lebenszuständen keinerlei Abgrenzung von
einander züliessen, dass vielmehr unter ganz unansehnlichen Veränderungen
eines ins andere übergehe. Man kann sich hiernach Thier- und Pflanzenreich
in Gestalt zweier von einem Puncte aus divergirender Linien denken. Wie
jeder Punct einer Linie von dem entsprechenden der anderen um so weiter
entfernt ist, je ferner er dem gemeinsamen Ausgangspuncte liegt, so findet
man auch die Verschiedenheiten in beiden Beichen um so bedeutender, je
mehr man sich von den niederen Zuständen, d. i. dem Indifferenzpuncte
entfernt. Bei dein mangelnden Durchgreifen der bisher aufgesuchten Ver-
schiedenheiten zwischen den als niedere Pflanzen- und Thierformen betrach-
teten Organismen formt sich aus diesen Wesen ein Grenzgebiet, welches man
entweder als ein für sich bestehendes, indifferente Zwischenformen um-
schliessendes Mittelreich (das Beich der Protisten nach Häckel) ansehen, oder
Thier und Pflanze.
§10.
Indem die Aufgabe der vergleichenden Anatomie in den Beziehimsen
der Organisation der Thiere gegeben ist, wird es zur Bestimmimg des allge-
meinen Objectes nöthig sein, auf die Frage einzugehen, ob und in welcher
Weise die beiden Beiehe der organischen Natur von einander sich abgrenzen,
und ob Thier und Pflanze von einander fundamental verschiedene Organismen
seien. Je nach dem eine geringere oder grössere Summe von Erfahrungen um-
fassenden Zustand der Wissenschaft sind diese Fragen verschieden beantwortet
worden. So lange man in beiden Beichen nur die differenzirten Zustünde im
Auge hatte, war es leicht, für die Begriffe Thier und Pflanze bestimmte
Charakteristika zu finden, und so beide Reiche von einander getrennt zu
halten. Je mehr die fortschreitende Erkenntniss auf niedere Organismen,
deren Bau und Lebenserscheinungen aufhellend, sich ausdehnte, desto mehr
mussten die vorher aufgeführten Schranken geändert werden, bis sie endlich
gänzlich fielen. Man musste anerkennen, dass die früher und zwar immer
subtiler aufgestellten Unterschiede keine durchgreifenden waren, dass Eigen-
tümlichkeiten, die vordem in einem der beiden Reiche beobachtet waren,
in dem andern keineswegs fehlten, ja sogar bei ganz entschiedenen Angehö-
rigen dieses Reiches in deutlicher Ausprägung vorkamen.
So begründete sich allmählich die Anschauung, dass Thier- und Pflan-
zenreich in ihren einfachsten Lebenszuständen keinerlei Abgrenzung von
einander züliessen, dass vielmehr unter ganz unansehnlichen Veränderungen
eines ins andere übergehe. Man kann sich hiernach Thier- und Pflanzenreich
in Gestalt zweier von einem Puncte aus divergirender Linien denken. Wie
jeder Punct einer Linie von dem entsprechenden der anderen um so weiter
entfernt ist, je ferner er dem gemeinsamen Ausgangspuncte liegt, so findet
man auch die Verschiedenheiten in beiden Beichen um so bedeutender, je
mehr man sich von den niederen Zuständen, d. i. dem Indifferenzpuncte
entfernt. Bei dein mangelnden Durchgreifen der bisher aufgesuchten Ver-
schiedenheiten zwischen den als niedere Pflanzen- und Thierformen betrach-
teten Organismen formt sich aus diesen Wesen ein Grenzgebiet, welches man
entweder als ein für sich bestehendes, indifferente Zwischenformen um-
schliessendes Mittelreich (das Beich der Protisten nach Häckel) ansehen, oder