Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Gegenbaur, Carl
Grundzüge der vergleichenden Anatomie — Leipzig, 1870

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.15089#0061

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
4(3

Vom Baue des Thierleibes.

bildet, dessen Theile integrirende sind. Im Momente der Beurtheilung haben wir das
morphologische Individuum als unveränderliche Gestalt zu betrachten. Die morpho-
logische Individualität zerfällt wieder in mehrere Kategorien oder Ordnungen, die in
bestimmten Organismen je als physiologische Individuen auftreten können. Es sind fol-
gende. I. I' last i den, für die Thiere meist nur Zellen, als Elementarorganismen. II. Or-
gane, Zellenstöcke , Organsysteme, Organapparate. III. Antimeren, Gegenstücke,
oder homotype Theile. IV. Metameren, Folgestücke oder homodyname Theile. Seg-
mente. V. Personen (Prosopen), Individuen im engsten Sinne bei den höheren Thie-
ren. VI. Cor inen , Stöcke oder Colonien, aus einer Vereinigung von Individuen fünfter
Ordnung gebildet. — Jedes dieser verschiedenen Individuen vermag als selbständige
Lebenseinheil aufzutreten. Viele Organismen bleiben auf der ersten Stufe stehen. Auf
der zweiten finden wir viele niedere Thiere, Coelenteraten. Ebenso auf der dritten
manche niedere Thiere. Die vierte Ordnung ist bei vielen niederen Würmern und bei
Mollusken vorhanden. Die fünfte besteht bei Gliederthieren und Wirbelthieren , die
sechste kommt bei Coelenteraten und Würmern vor.

Alle ein morphologisches Individuum höherer Ordnung vorstellende Organismen
gehören ursprünglich einer niederen Ordnung an und durchlaufen meist mehrere der-
selben, z. B. ein Wirbelthier erscheint mit der Eizelle auf der ersten Stufe, tritt mit der
Theilung derEizelle auf die zweite, und mit derBildung der zwei Antimeren sondernden
Axenplatte auf die vierte, um mit der Anlage der Urwirbel —die als Metameren erschei-
nen — zui' fünften überzugehen.

Durch die Einfügung der Organe in die Kategorien der Individualität wird es mög-
lich, die begriffliche Bestimmung des Organes genauer festzustellen, wenn auch nur auf
eine negative Weise, indem wir es von den über ihnen stehenden Individuen aus-
schliessen.

Bei der Ordnung der Organe in einzelne Abtheilungen von ver-
schiedenem morphologischen Werlhe müssen wir einem Theile der Form-
elemente eine Stelle einräumen. Die quergestreifte Muskelfaser stellt, wie die Nerven-
faser, einen Zellencomplex vor und bildet durch die Verschmelzung der Formelemenle
die niederste Stufe eines Organes. Auf dieser stellt sich wieder die Muskelfaser etwas
tiefer als die Nervenfaser, insofern erstere das sie bildende Zellenaggregat durch fort-
gesetzte unvollkommene Theilung einer einzigen Zelle hervorgehen liess, indess die
Nervenfaser durch Verschmelzung vormals discreter Zellen hervorging. Eine zweite Ord-
nung bilden die einfachen Organe, Theile, die aus gleichartigen Formelementen zusam-
mengesetzt sind (homoplastische Organe, Hackel). Hier reihen sich die Gewebe der Epi-
thelien und Bindesubslanzen ein. Als Organe dritter Ordnung erscheinen die zusammen-
gesetzten Organe (heteroplasfische Organe, Hackel), hei deren Zusammensetzung mehrere
Arten von Geweben betheiligt sind. Eine vierte Ordnung stellen die Organsysteme und
eine fünfte und letzte die Organapparate vor (Hackel, Generelle Morphologie I. S. 296).
Für das System gilt das Vorwalten eines und desselben Gewebes, wie auch andere Ge-
webe immer daran betheiligl sein mögen , während für den Apparat kein solches Vor-
walten postulirt wird.

Die functionell gleichen Organe der verschiedenen Thiere reihen sich in diese Ka-
tegorien in sehr ungleicher Weise ein. Dieselben Theile, welche in der einen Abtheilung
als ein zusammengesetztes Organ erscheinen, stellen sich in einem andern als Organ-
system dar, oder können auch als Organapparat erscheinen. Die höhere Form besitzt
hier ihren ÄusgangspunCt in einer niederen, und wir treffen auch in der Bildungs-
geschichle der Organe niedere Zustände als Durchgangsstadien für höhere.
 
Annotationen