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Heidelberger Bürger-Zeitung: Mittelstands-Zeitung ; unabhängiges Kampfblatt für die Interessen des deutschen Mittelstandes: Heidelberger Bürger-Zeitung: Mittelstands-Zeitung ; unabhängiges Kampfblatt für die Interessen des deutschen Mittelstandes — 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.42441#0213
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Die ein Sozialist, -er aufSr-nkrng
W, über die SozialdemokratisKe
Kartei urteilt.
Der langjährige sozialdemokratische Land-
Dr. Scholz in Hannover-Linden hatte
^gestellt, daß sein ebenfalls sozialdemokra-
M eingestellter Vorgänger schuld an einer
E»iq erfreulichen Korruptionsaffäre im Kreise
Evesen sei. Pflichtgemäß leitete er eine Un-
^stuchung ein. Das verdachten ihm aber die
^Nossen in Berlin, und Scholz wurde au'
??und eines Berichtes des früheren Jnnen-
^Nisters Grzesinski vom Staatsministerium
°^r Disposition gestellt. Alle seine Bemühun-
eine Untersuchung herbeizuführen, sind
ergeb lich geblieben.
-X Nun rächt sich Herr Scholz seinerseits an
?r Partei. Er hat ihr einen Brief geschrie-
en, in dem es heißt:
„Er erkenne heute," so heißt es darin, „daß
!?cht Ideale, sondern krasser Egoismus, Mate-
Mismus und Parteifanatismus, fremd jeder
Sachlichkeit, Gerechtigkeit und tlneigennlltzig-
den Parteikörper wie ein böser Geist be-
^rrsche. Dieser große, aufgedunsene Körper
seinen fetten Organen richtet, besessen von
^erfüllbaren Wahnideen, Volk und Staat
"rannenhaft zugrunde. Zwischen Parteipro-
^?lvnm und Parteileben, zwischen Parteitheo-
>e und Parteipraxis klafften ungeheure Risse.
Partei sei krank, sterbenskrank, und müsse
Grunde gehen, damit das deutsche Volk le-
könne."
-Voz« die Kopfsteuer
A ist.
. Die freien Gewerkschaften arbeiten im kom-
menden Wahlkampf geschlossen für die Sozial-
^nrokratie. Sie haben infolgedessen auch einen
erlassen, in dem folgendes ausgeführt
»Wo bleibt das Notopfer des Reichs-
sMidenten, wo die Senkung der hohen Mini-
Zrgehälter, riesenhafte Einkommen in den
- "Mmunen?" Die Sozialdemokratie tut gut
^sran, vor der eigenen Tür zu kehren. Es
dns- "icht unbekannt sein, daß sich der Ge-
dxbe Braun, derzeitiger ungekrönter König in
Zeichen. ein höheres Gehalt bewilligte als die
^chsminister. Und was nun die riesenhaften
Br Euren in den Kommunen bedeuten, so
M das rote Berlin ein Beispiel dafür, wie
M überall dort gemacht wird, wo die Sozial-
^rnokratie die Herrschaft hat. So werden in
Griner Kommunalbetrieben folgende beschei-
Direktoreneinkommen gezahlt:
Direktoren der „Berek" beziehen 58 000 NM
^-rrektor der Brennstoffwerke 28 000 NM
Direktor der Ausstellungs- und
I cesse-G. m. b. H. 65 000 NM
Pressechef derselben Gesellschaft 35000RM
Direktor der Berliner Stadtgüter
^-M.b.H. 44 000 NM
Weiterer Direktor derselben Gesell-
^'Mft 40 000RM
Erektor der Berliner
^chlackensteinwerke 21000 RM
M ^ur solchen Mißständen abzuhelfen, brau-
wir die Kopfsteuer, damit endlich wieder
schart wird.

*
ung empfohlen.
>^,^er Vorstand der Wirtschaftspaktes. Orts-
d pste Gemeinde Rondorf, hat der Gemeinde-
'waltung nachstehenden Beschluß überreicht:
>?i^urch die noch fortwährend steigende Ar-
j^ ^chigkeit, welche eine ungeheuere Not in
, Kreise der Unterstützungs- rnrd Wohlfahrts-
Mchanger hineinträgt, wie wir solche für die
des Sommers und der Bautätigkeit bis-
uie gekannt haben, wurde vom Vorstand
Traktion wie folgt beschlossen:
Die Mitglieder unserer Fraktion, sowie
Kommissionsmitglieder, welche den Po-
eines Beigeordneten, Sparkassen-Vor-
^o«mstgliedes, Ajrmenpflegers, Ortsvorste-
usiv. innerhalb unserer Gemeinde beklei-
sq' verzichten für die Folge, bezw. auf die
-cha einer Arbeitslosigkeit in jetzigem Um-
E »uf jegliche Entschädigungen und Diä-
dd ???lche für die Ausübung von Sitzungen
r sonstige Leistungen des Gemeinde-
ausgeworfen werden.
?r sich aus diesen bisherigen Auslagen
ie erwaltung ergebenden Beträge sind für
Kl^'vlge in einem besonderen Fonds zu sam-
df den Armenpflegern der Gemeinde
ig . ag für die bedürftigsten Einwohner
^erfügung zu stellen.
empfehlen den Fraktionen und Vor-
ch, " der anderen Parteien, in gleichem
los,? Beschlüsse herbeizuführen, damit die
. innerhalb unserer Gemeinde gelin-
Neichspartet des deutschen Mittelstandes.
lWrrtschaftspartei)
^tsgnipM der Gemeinde Rondorf.
Conzen, Knein,
'traktionsführer. Schriftführer.

Wirtschaftsgemeinschaft mit Oesterreich.
wirtschaftlich noch nicht erschöpften europäischen

Es ist psychologisch verständlich, wenn im
Kampfe um Deutschlands politische Geltung in
den letzten 10 Jahren alle Angriffe im Westen
angesetzt wurden. Dabei haben die östlichen
Reichsgebiete, wenn sie auch wirtschaftlich we-
niger den Druck der Besatzung zu fühlen be-
kamen, es an nichts bei der stimmungsgemL-
ßen Unterstützung fehlen lassen. Das ist des-
halb besonders hervorzuheben, weil sie selbst
an der eigenen Reichsgrenze zu kämpfen ha-
ben. Aufgaben, die landläufig als „Not des
Ostens" bekannt sind. Es unterliegt nun kei-
nem Zweifel, daß hierfür im Westen herzlich
wenig Verständnis gezeigt wird, einmal, weil
die eigenen Nöte als drückender empfunden
wurden, und dann, weil die Wirtschaftsvor-
gänge im Osten einen unbekannten Charakter
mangels geeigneter Vorstellungsmöglichkeiten
angenommen haben.
Der politische Druck im Westen ist jetzt ge-
nommen: was politisch noch zu tun ist, tritt
weit in den Schatten der Aufgaben des
Ostens. Hier gilt es jetzt, die freigewordenen
Kräfte einzusetzen. Ein neues Symbol für den
Deutschen muß erstehen: der Osten muß frei
werden. In der Natur der Sache liegt es,
daß das ein wirtschaftlicher Kampf sein muß,
die Befreiung aus wirtschaftlichen Fesseln und
danach das Vortragen des deutschen Befrei-
ungsangriffes zur Eroberung der östlichen
Wirtschaft. Was da bisher, auch von Regie-
rungsseite, getan ist, war nichts als Verzette-
lung der geringen Mittel. Das Problem der
Lösung nationalpolitischer Aufgaben im Osten
ging in Einzelwirkungen auf. Wenn man in
kleinen Erfolgen, z. B. Handelsverträgen einen
Fortschritt für die deutsche Wirtschaft sehen
kann, so nur unter dem unrichtigen Gesichts-
punkte, daß eine wirtschaftliche Strategie un-
nötig wäre. Noch nie ist aber ein Land in
Kultur-, Welt- und Wirtschaftsgeschichte sieg-
reich geblieben, wenn ihm das große Ziel
fehlte, wenn es nicht wußte, worum es geht.
Und so muß sich Deutschland auch heute fragen:
was will es im Osten? Ist es sich darüber
klar, daß slawischer Despotismus deutsches
Kulturgut erobern will, weiß es, daß eine
Einkreisungspolitik wirtschaftlicher Art nach
dem berühmten Vorbild des unseligen eng-
lischen Eduard in den östlichen Nachbarländern
vornehmste Aufgabe ist, so muß es sein Signal
zur wirtschaftlichen Eroberung alles dessen,
was zwischen Ostsee und Adria liegt, ein-
heitlich abgeben, mit anderen Worten:
wir können unsere alte Stellung jenseits von
Weichsel und Oder nur dann wiederbekommen,
wenn wir davon überzeugt find, daß das Ost-
problem unteilbar ist, daß die Wirtschaftsbe-
ziehungen zu den Einzelländern nicht jede für
ich betrachtet werden können.
Vesser als wir haben unsere Rivalen er-
kannt, daß der Schlüssel zum Osten Oesterreich!

ist. Von hier aus muß die Bewegung aus-
gehen, muß die Flanke nach Nord und Süd
wirtschaftlich aufgerollt werden. Schrieb schon
Versailles eine dauernde Trennung zwischen
den stammverwandten Völkern vor, so ist in
letzter Zeit wiederholt ein Keil in die volklich
zusammengehörenden Länder getrieben wor-
den. Frankreich! hat nicht ohne Absicht Wien
zum Ausgangspunkt seiner wirtschaftlichen
Ausdehnungsbestrebungen nach Osten gemacht,
wobei es gewissenhafte Sekundanten in der
Kleinen Entente findet, deren Gegnerschaft
gegen Oesterreich tausendjährig ist, trotz aller
diplomatischen Ueberbrückungen.. Gallische List
und slawische Verschlagenheit haben es fertig
bekommen, mit einem deutschen Lande das
Gauklerspiel einer Donauföderation zu spielen.
Oesterreich, innerpolitisch durchsetzt, sieht hier-
in die letzte Möglichkeit, ein bischen von dem
zurückzubekommen, was das Oesterreich einmal
war: blind, wie nur ein Land sein kann, das
um seine nackte Existenz kämpft, sieht es
nicht, wie jeder Schritt in den Donaubund
ein Schritt weiter wegfllhrt vom eigenen Na-
tionalbewußtsein. von Wirtschaftsgeltung im
eigenen Lande und von Wirtschaftsführung im
Osten Europas. Das untrüglichste Zeichen
für die Bearbeitung der öffentlichen Meinung
im welschen Sinne ist das ständige Vordringen
des Tschechischen in die deutschfühlende Presse.
Hier wird das in höchster Vollendung gelei-
stet, was schon während des Krieges bei uns
und unseren Freunden fehlte, der Aufklä-
rungsdienst. Es braucht garnicht unmittelbare
Wirtschaftliche Spionage zu sein, was hier vor
sich geht: es genügen Verführungskünste un-
auffälligster Art, dem Buhlen sein Opfer zu-
zutreiben. Oder glaubt jemand, daß Frank-
reichs geldliche Hilfe in zahlreichen Industrie-
unternehmungen ohne Hintergedanken ge-
schieht. Weiß man nicht, daß das Eindringen
Frankreichs bei der Eskomptegefellschaft nichts
anderes bedeutet, als die Elektrifizierung
Oesterreichs in eigene Hände zu bekommen.
Fühlt man nicht, daß hier im Stillen der
Kampf um deutsches Kulturgut geht?
In gleicher Weise streckt Italien seine
Fangarme nach Oesterreich aus. So sehr vom
politischen Standpunkte aus das Erstarken der
bodenständigen Heimwehr zu begrüßen ist,
über die Tragweite, die die Sympathien Mus-
solinis zur Folge haben, scheint man im Un-
klaren zu sein. Schobers Bittgang nach Rom
hat zwar den augenblicklichen Erfolg einer An-
leihe gebracht: der für Italien war aber we-
sentlich größer. Hier wird Politik auf lange
Sicht gemacht. Der neu aufstrebende Mittel-
meerstaat weiß ganz genau, daß er um seine
Stellung bei den Balkanvölkern zu befestigen,
der Sympathie Oesterreichs bedarf. Und es ist
kein Will, wenn man heute schon von italieni-
schen Vasallenstaaten bei den Ländern des

Südostens spricht.
Das alles, hier nur kurz angedeutet, findet
sowohl in Wien wie in Berlin keinen Wider-
hall. Daß der frankophile Erzherzog Otto in
Ungarn den Königsthron wieder besteigen soll,
ist keine ungarische Frage allein. Es ist eine
Frage des Deutschtums, weil schon weite Kreise
des österreichischen Bauernstandes der Errich-
tung einer antideutschen Monarchie sympatisch
gegenüberstehen. Dabei bleibt es außer Zwei-
fel, daß Otto seinen Blick nach Frankreich und
Italien richten wird. Deutschland erlebt jetzt
wieder das, worin es eine geradezu nicht nach-
ahmbare Fertigkeit besitzt, nämlich sich beiseite
schieben zu lassen. Mag das auch hauptsächlich
an der Unzulänglichkeit unserer Staatspolitik
liegen (welcher Botschafter hat auf die drohen-
den Gefahren aufmerksam gemacht!, auch die
deutsche Wirtschaft scheint hierbei in fahrlässi-
ger Gutgläubigkeit zu leben. Man braucht in
diesem Zusammenhänge nur an die Handels-
verträge zu denken. Der Kleinkram persön-
licher Belange spielte jeden Trumpf auf, als
z. B. die Folgen für die Landwirtschaft in den
schlimmsten Farben gemalt wurden. Gewiß
eine gering oder garnicht verzollte Einfuhr be-
lastet die deutsche Zahlungsbilanz: wer wagte
aber gegen das Menetekel der in die Millionen
gehende Zufuhr aus den Randstaaten vorzu-
gehen, die unsere sauer erarbeiteten Groschen
in ihrer Weise nutzbringend, damit — wie wir
gesehen haben — zum wirtschaftlichen Schaden
Deutschlands anzulegen.
Dies nur ein kleines Beispiel, aber es ge-
nügt, um zu beweisen, daß der große Blick
fehlt, ein Blick dafür, was zu unserer Exi-
stenz nötig ist, den Schlüssel zu Osteuropa in
die Hände zu bekommen. Oesterreich vorgela-
gert liegt der unerschlossene Block der Balkan-
staaten, der Deutschland das ersetzen kann, was
ihm im Westen und dem lleberseemarkt schon
abgejagt wurde. Hier muß die Staatspolitik
der Wirtschaft Vorarbeit leisten. Wie das im
einzelnen zu geschehen hat, gehört nicht hierher.
Nur das sei gesagt: der politische Zwangs-
charakter unserer Abmachungen mit den Rand-
staaten muß fallen, wenn die Wirtschaft zu
voller Energieentfaltung kommen soll. Und
daß die deutsche Wirtschaft für uns nun einmal
der einzige Lebensnerv ist, das wird das
deutsche und österreichische Parteiwesen hof-
fentlich bald einsehen, hoffentlich aber nicht
erst dann, wenn es zu spät geworden ist, wenn
der lachende Dritte die Katze im Sack hat. die
er sich vorher aber genau besehen hat. Ver-
gesse das deutsche Volk daher nicht, daß der An-
chluß an Oesterreich zwar vorläufig politisch,
nicht aber wirtschaftlich unmöglich ist, es sei
denn, daß es sich immer noch- nicht aufraffen
kann, die Schuppen von den Augen zu nehmen.

Kritisches zum Wohnungsbeschaffungs-

programm der Mchsregiermig.

Von den 800 Millionen -K zur Durchfüh-
rung des Arbeitsbeschaffungsprogramms soll
ein Betrag von 300 Millionen °4l für ein
Wohnungsbauprogramm abgezweigt werden.
Man hofft mit seiner Hilfe rund 150—200 000
Arbeiter mehr beschäftigen und auf diese
Weise vom Baumarkt, der im Jahre 1929 einen
Umsatz von 12—14 Milliarden -K gehabt hat,
auch auf andere Gewerbe eine Belebung aus-
'trahlen lassen zu können. Mittels dieses Bau-
programms soll auch eine Senkung der Bau-
kosten erzielt werden. Selbstverständlich miss-
en zur Erreichung dieses Zieles gerade in der
etzigen Zeit auch! die llnternehmergewinne
beschränkt werden: daneben sollte man aber
auch die vielfach, recht erheblichen Gewinne der
!og. gemeinnützigen Baugesellschaften nicht ver-
gessen und vor allem die teilweise höchst über-
ilüssigen Nebenkosten, die durch die Langsam-
keit,Kompliziertheit und durch die vielfach reich-
lich überflüssigen baulichen Vorschriften der
Baubürokratie entstehen: auch die Zinshöhe ist
hier zu nennen: denn jedes Prozent Zins be-
deutet 4 Prozent Miete.
Bei den bisherigen Beratungen über das
Wohnungsbauprogramm haben mehrere grund-
sätzliche Fragen leider eine Regelung noch nicht
gefunden. Zunächst sei auf die Notwendigkeit
verwiesen, die Bautätigkeit nicht nur auf neue
Wohnungen zu erstrecken (schon jetzt stehen
von ihnen viele Taufende leers, sondern vor
allem auch auf die Ueberführung der jetzt ver-
wahrlosten Altwohnungen in einen ordent-
lichen baulichen Zustand: die bevorstehende
Umschuldung der Aufwertungshypotheken wird
gerade auf diesem Gebiete in der nächsten Zeit
besondere Anforderungen stellen. Weiter ist
notwendig die stärkere als die bisherige Ein-
schaltung des freien Unternehmertums in die
Bautätigkeit. Bisher sind die sog. gemeinnützi-
gen Bauvereine bei der Gewährung von billi-
gen Hauszinssteuerhypotheken, durch Erleich-
terungen der Bauprojekte usw. stark bevorzugt
worden: die Folge war ein teilweise recht un-
rentables und schlechtes Arbeiten, abgesehen
von den vielfachen Bevorzugungen gewisser,

nicht immer zu den Minderbemittelten gehö-
renden Kreise durch diese Vauvereine. In Zu-
kunft müssen die freien Unternehmer dieselben
Vergünstigungen erfahren wie die sog. ge-
meinnützigen Baugenossenschaften: nur auf der
Grundlage gleicher Konkurrenz läßt sich das
Beste herausholen. Eine dritte sehr wesentliche
Frage ist die, ob nicht durch die öffentliche
Subventionierung des Baumarktes mehr Scha-
den als Nutzen entsteht. Denn diese Subventio-
nen haben die Bautätigkeit vielfach in völlig
falsche Bahnen gelenkt (Flächenbau, Herstel-
lung von Eroßwohnungen usw.s und künstlich
eine Hochhaltung der Baukosten sowie der
Bauarbeiterlöhne erzeugt, die sich u. a. in
einem übertrieben hohen Mietstand für Neu-
bauwohnungen äußert: gerade infolge des da-
durch verursachten Leerstehens vieler Neubau-
wohnungen hat die Baulust eine große Ein-
schränkung erfahren, da niemand das Risiko
eines 30—40prozentigen Kapitalverlustes lau-
fen möchte, das mit einer Reduzierung der
jetzigen Mieten auf ein vernünftiges Maß ver-
bunden ist. Auch folgender Umstand ist zu be-
rücksichtigen. An sich schafft zwar der Woh-
nungsbau zunächst vermehrte Arbeitsgelegen-
heit: sie findet aber mit der Durchführung der
Bauten ihr Ende. Im Gegensatz dazu erzeugen
ober dauernde Auswukungsmöglichkeiteu die
Mittel, die zur Besserung unserer Nahrungs-
mittelerzeugung angelegt werden. Bisher
konnte nur durch Aufnahme ausländischer An-
leihen der nicht durch Jndustrieausfuhr gedeckte
Teil der Nahrungsmitteleinfuhr aus dem Aus-
land finanziert werden. Ob das auch in Zu-
kunft noch möglich ist, erscheint aber mehr als
fraglich, ebenso wie es ausgeschlossen erscheint,
den Kauf ausländischer Lebensmittel durch
immer neue Auslandskredite auf die Dauer
möglich und — mit Rücksicht auf die steigende
Zinsenlast — tragbar zu machen. Demnach er-
scheint es im Interesse der Sicherung der deut-
schen Zukunft zweckmäßig, die bisher durch
Auslandskredite künstlich verschleierte Notwen-
digkeit, die Nahrungsmittelerzeuqung dem
Wohnungsbau überzuordnen, stärker in Er-
scheinung treten zu lassen.

Allerlei.
„ . . . mit Maitressen und Kokotten!"
Nein, appetitlich ist der Aufruf nicht, mit
dem sich der Deutsche Beamtenbund, Ortskar-
tell Rathenow (Mark Brandenburgs in der
Frage des Notopfers an die Öffentlichkeit
wendet. Aber diesen Aufruf zeichnet eine so
blühende Phantasie aus, daß wir uns nicht
versagen können, ihn in seinen wesentlichsten
Stellen zu zitieren:
Beamte und Angestellte der Behörde« und
Schule« in Rathenow!
Es ist beabsichtigt. Euch mit einer Sonder-
steuer zu belegen. Solche Sondersteuer ist un-
sozial, sie ist auch ungerecht, weil andere Volks-
teile mit höherem und höchstem Einkommen
und: Vermögen, und weil Staatsbürger mit
Schmuck und Seiden, mit Rennbooten, Luxus-
autos, Reitpferden. Landsitz, Schlössern. Sekt-
und Weinkellern, Maitressen und Kokotten
von der Sondersteuer befreit bleiben sollen!..
Hu, hu! Wo gibt es solche „Staatsbürger?"
Das, was der Beamtenbund hier meint, sind
Schieber a la Sklareks und Konsorten, aber
nicht „Staatsbürger". Wenn die Beamten
wissen wollen, was unter Staatsbürgern zu
verstehen ist und wie diese wirklichen Staats-
bürger leben, dann brauchten sie sich nur bei
den Rathenower Geschäftsleuten umzutun, sie
brauchten sich nur einmal das Leben der
Mittelständler, ihren Kampf um die Existenz,
ihren Kampf gegen mörderische Ueberlastung
mit Steuern anzusehen. Und sie werden nicht
mehr in die Lage kommen, über „Staats-
bürger" mit Maitressen und Kokotten zetern
zu müssen.

werbt
Mr Men
rewmH!

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