Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 33.1922

DOI Artikel:
Redslob, Edwin: Stilwille und Raumgestaltung
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.10456#0084

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
72

INN EN-DEKORATION

ARCHITEKT DR. OSKAR WLACH-WIEN

SCHLAFZIMMER. MAHAGONI. HAUS BEER

STILWILLE UND RAUMGESTALTUNG.

VON DR. EDWIN REDSLOB.

Die Grundsätze der Wohnungs - Einrichtung in der
zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts lassen sich leicht
umreißen: die Einrichtung ging nur vom Einzelstück aus,
nicht vom Raum. Raum war ja auch nicht das, was
man gestalten wollte. Man dachte garnicht daran, daß
bei der Stadt-Anlage wie bei der Wohnungs-Einrichtung
es nicht nur auf die positive Form ankommt, sondern
auch auf die räumliche Umrahmung, den Wände und
Möbel für den Menschen schaffen. »Horror vacui« — die
Angst vor jedem Quadratmeter ungefüllten Raumes, ist
das Motto, unter dem man die freien Plätze zerstörte,
unter dem man die Zimmer und die Zimmerwände so
ausfüllte, daß nur ja kein Platz freien Fußbodens, kein
Stück freier Wand dem Bewohner Ruhe und Freiheit gab.

Im Gegensatz dazu steht das Raum-Empfinden und
damit auch die Einrichtung der heutigen Zeit. Eine mo-
derne Einrichtung ist nicht etwa davon abhängig, daß all
ihre Stücke auch heute hergestellt sind: man kann alte
Möbel so aufstellen, daß doch dem Raum-Gefühl des
modernen Menschen völlig Rechnung getragen wird. . .

Dies Raum-Gefühl aber verlangt Bewegungsfreiheit,
verlangt Ruhe, Geschlossenheit, Zusammenhang. Es ver-
trägt starke Kontraste, besonders auch in der Farbwir-
kung. Es wehrt sich ebenso wie gegen das Ineinander-
greifen der Formen, auch gegen das Ineinandermischen

der Farben, die man, um f 880, möglichst alle auf den tem-
peramentlosen Generalnenner »Braun« zu bringen suchte.

Im Hintergrund dieser Änderung, die Ruhe und Frei-
heit, dazu aber auch kräftige Kontraste wünscht, steht
ein veränderter Menschentypus . . Die Zeit um 1890 war
nervös, sie liebte Unruhe, Auflösen der Formen und setzte
damit die um 1840 begonnene Entwicklung zur Auf-
lösung, zur Unruhe, fort. Die heutige Zeit zeigt wohl
viel Zerrissenheit, aber sie zeigt doch zugleich ein deut-
liches Streben, vom Kontrast zur Einheit, von der Zer-
reißung zu starker, geschlossener Form zu kommen. . .

Die unerbittliche Größe der Konstruktionen, die der
Ingenieur berechnet hat, die elastische Ornamentik jeder
sportlichen Zweckform, der Wunsch, die Kraft der Seele
dadurch in Spannung zu halten, daß die Kontrastwirkung
der Linien und Farben zum Ausgleich kommt, das sind
charakteristische Merkmale, die der Formensprache und
der Einrichtung unserer Zeit das Gepräge geben. .

Für die hierdurch gekennzeichnete Auffassung wird
der Bau und die Einrichtung eines Schiffes höchstes
Symbol. Das Ziel ist nicht mehr der Salon I. Klasse,
der so hoch gebaut, so reich mit Marmor, Springbrunnen,
Vergoldung und anderem Ballast des Festlandes belastet
ist, daß der ängstliche Passagier es ganz vergißt, auf
dem Wasser zu sein. Das Ziel ist die technisch und
 
Annotationen