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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 33.1922

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Lautner, Theodor: Harmonie-Lehre und Raumkunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.10456#0315

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INNEN-DEKORATION

303

ARCHITEKT P. UMPFENBACH-FRANKFURT A. M.

LADENFRONT MIT ORNAMENT-PILASTERN

HARMONIE-LEHRE UND RAUMKUNST

EIN VORSCHLAG.

Ich schlage eine » H a r m o n i e - L e h r e « der Innendeko-
ration vor. Ist das kühn? Oh nein. Schon Winckel-
mann, der Vater der deutschen Kunstgeschichte, erkannte
den gewissen »musikalischen« Grundzug aller Künste.
Hat man nicht die Architektur »gefrorne Musik« genannt
und immer wieder das »Musikalische« im Barock und
Rokoko betont? Hat man nicht auch in der Malerei und
der Plastik Sprachbilder, Vergleiche, Metaphern aus der
Musik genommen, um Kompositions-Elemente, Linienfüh-
rung, Melodien, Rhythmus, Farbensymphonien zu er-
klären? Und ist es nicht in der Kunst aller Völker so?
Wer nannte die Göttertempel Indiens ein Gebetsingen in
Steinen? Wer sprach vom orchestralen Prunk maurischer
Fassaden? Und haben die Griechen nicht eine tiefe
Mythe von Memnon, dem Sohn der Morgenröte, dessen
Steinbild um die Stunde des Aufgangs tönt? Sicherlich,
in allen Verfestigungen künstlerischer Art stecken musi-
kalische Grundelemente, sie sind irgendwie erstarrte Mu-
sik. Die Grundgesetze ihrer Harmonielehre müssen er-
forschbar, ja erlernbar sein. Und sollte man nun die Er-
zeugnisse und Werke der angewandten Kunst, die schönen
Möbel, und Gegenstände, mit denen wir tagtäglich umge-
ben sind, und deren oberstes Gesetz doch die Harmonie
ist, in einer solchen Betrachtung außer acht lassen? Liebe

1922. IX. a.

Freunde, ich phantasiere vielleicht, aber hört nur einmal
zu .. Ich habe ein Traumhaus, durch dessen Zimmer will
ich gehen wie durch eine »Melodie«. Ich habe dort
jedes Zimmer auf einen Ton gestimmt. Bald werde ich
die Intervalle wissen. Und ich habe in jedem Raum einen
vollen, vielfachen Akkord von Tönen auf den Grundton,
den Hauptton aufgebaut. Es ist ein schöner, klarer Zu-
sammenklang von Dingen, sie sind alle gemeinsam be-
schwingt. In jedem Zimmer erlebe ich ein stummes Kon-
zert, »höre« ich mit den Augen. Kommt mit in den
großen Empfangssaal und genießt. Im Kristall des Lüsters
jubeln und zittern die höchsten Violinen, die dunkel be-
zogenen Sessel fallen wie Gamben ein, der große Schrank
ist der heimliche Baßgeiger. Ein Blick über die Vitrine,
das ist ein Pizzicato über alle Harfensaiten. Habt ihr es
miterlebt? Aber ihr haltet das für Schwärmerei, ich will
handfeste Vorschläge machen. Zum Beispiel stellt euch
einen Raum vor: Möbelton, schwer, dunkel, furniert, —
hierzu gestimmt Stoffton in Gardinen, Bezügen und Tep-
pichen, sattfarbig, brokaten — als obere mitschwingende
Note der Bild- und Tapetenton im Zimmer, stillebig, alt,
nachgedunkelt, Zinn und Metall und Fayencen — das
ganze in Baßlage ergäbe ein prunkvolles Herrenzimmer
für einen behäbigen Landsitz. Oder nehmt hier das all-
 
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