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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 33.1922

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Lang, Hugo: Harmonie des Gegensätzlichen
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https://doi.org/10.11588/diglit.10456#0358

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346

INNEN-DEKORATION

architekt cam1ll graeser—stuttgart

wohn- und esszimmer. bücherschrank

HARMONIE DES GEGENSÄTZLICHEN

polarisierung — spannung — leben

Der Schaffende wird in seiner Form-Gebung teils von
äußeren Strömungen und Einwirkungen beeinflußt,
teils von der eingeborenen, erlernten oder erarbeiteten
Formenwelt, teils auch von seiner »inneren Einstel-
lung« zur Welt überhaupt, — die eingeboren und kon-
stant sein, aber auch im Laufe seiner Entwicklung sich
wandeln kann . . Je nach der Wesens-Anlage des Künst-
lers überwiegt der eine oder der andere diese Einflüsse.
Der letzte Faktor: die »innere Einstellung« ist in der
Hauptsache maßgebend, wo es sich um die Frage des
»Stils« handelt. . Diese innere Einstellung kann zugleich
die eines größeren Volks-Teiles sein, oder einer Zeit-
Epoche .. In der vergangenen Epoche unserer kunsthand-
werklichen Arbeit zeigte sich das vorwiegende Bestreben,
Räume und Einrichtungen möglichst »einheitlich«, mög-
lichst symmetrisch, möglichst streng geordnet auszubauen,
sogar die Stoffe, Musterungen der Tapeten, Vorhänge,
Bezüge wurden zeitweise möglichst »einheitlich« behan-
delt. Es war die neuere Zeit des Monismus, der inter-
nationalen Weltwirtschaft, die Zeit, da auch das Volk als
Einheit erschien . . Die einheitliche Raumkunst war also
wohl auch eineErscheinung der innerenEinstellungs-Weise.

Aber eine andere geistige Einstellung — auf dualisti-
scher Grundlage ■— ist ebenso möglich. Wir wissen, daß
im Kunsthandwerk und der Einrichtungskunst des Ostens,
gemäß der Anschauungs-Weise der taoistischen und der
zennistischen Philosophie, — das Bestreben herrscht:
grundsätzlich in der Einrichtungs-Kunst die Asymmetrie
zu suchen, jeden Balken im Raum in anderer Holzart,

jedes Gefäß in andere Form, Farbe und Oberflächen-Be-
handlung zu fassen. Die relativ einfache, östliche Raum-
Ausstattung verhindert, daß Unruhe entsteht. Das Er-
gebnis ist: stärkste Lebendigkeit bei aller Schlichtheit.

Es scheint, daß wir uns dieser Anschauungs- und Ge-
staltungs-Weise nähern. Durchaus nicht zum Schaden
der Weiter-Entwicklung unseres Kunsthandwerks. Denn
hier eröffnet sich auf einmal ein weiter Ausblick zu neuen
Gestaltungs-Möglichkeiten, es erwacht neues Leben. Alle
Polarisierung nämlich erzeugt Spannung, alle Verstärkung
und Hervorhebung der Teilkräfte erzielt eine stärkere
Gesamt-Energie, — sofern alle diese Teilkräfte wieder
zur Einheit gebunden werden .. Das ist das tiefe Geheim-
nis des Lebens und aller Lebendigkeit: das harmonische
Gleichgewicht, die von einer höheren Weisheit geregelte
und zusammengefaßte Wirkung —solcher »Gegenkräfte«.

In den Neu-Wiener Räumen der Gruppe um Prof.
Strnad finden wir solche neue Anschauungen in die Tat
umgesetzt. Da wird gerne jedes Möbelstück in einer
anderen Holzart gefertigt, da sieht man stark-farbige
Stoffe — zu weißen Wänden; auch die Formen der Möbel
sind verschiedenartig — aber das Ganze hat Haltung, Le-
ben, Charakter .. Auch an anderen Stellen bemerkt man
allmählich Wandlungen nach dieser Richtung hin. Da sieht
man senkrechte Formen gegen wagrechte gestellt, ge-
rundete gegen kantige, Streifen gegen Gitterwerk und
dergl. . . Nur dann wird aber Gutes in solcher Richtung
geschaffen: wenn alle Teile einander gute Gesellschaft
leisten — im Dienste einer höheren Einheit, hugo lang.
 
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