Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 33.1922
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https://doi.org/10.11588/diglit.10456#0239
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Lang, Hugo: Lob der Nadel
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I NN EN-DEKORATION
227
LOB DER NADEL
nützt die nadel zum schaffen des schönen i
Das einfachste und feinste Werkzeug, das der Mensch
sich erfand, ist die Nadel, — das wunderwirkende
Werkzeug der schaffenden Frau . . Mit Gewalt löst
der »Herr der Schöpfung« lästige Bindung; er rodet und
zimmert, er bricht, bildet und baut, er scheidet und
schafft . . Das Binden, Umwinden, Verknüpfen ist Auf-
gabe der sanfteren Frau. Nur die trennende Schere über-
nahm sie von ihm. Schnell zusammengefügt aber wird
das sinnvoll Geteilte mit der heilenden Nadel......
Zum Zusammenheften der schützenden Felle erfand
der Urmensch zuerst die Nadel. Aus Dornen, Gräten,
aus Horn, Knochen, aus Bronze, aus Eisen später wurde
sie geformt; in höchster Vollendung zuletzt aus elastisch-
hartem Stahldraht mit feinerOse.zurFührungdesFadens.
Feiner als alles andere ist ihre Spitze, schärfer ein-
dringend als jedes Geschoß, glatter und glänzender als
alles andere ist ihr schlanker Leib: Form der höchsten
Aktivität. Blitzende, schimmernde Stahlnadeln, zierliche,
blitzende Stahlfischchen, mit blauen Köpfchen, mit gol-
denen Köpfchen, in Milliarden unermüdlich wirkend und
webend, zur Tag- und Nachtzeit, wundersames Werkzeug
der vielen emsigen Frauen-Finger! Unsäglich einfach ist
die Form der Nadel, unsagbar reich die Welt der Formen,
die sie bildend schafft. Unsagbar nützlich ist ihr Walten,
unsagbare Schönheit ihr Werk, wenn formender Wille
sie führt . . In zartesten Linien schreibt sie dann auf den
duftigen Tüll zärtliche Hieroglyphen, von Schneekristallen
und rieselnden weißen Blüten dichtet sie dann in genähten
Spitzen ein Lied, aus glänzenden Seiden und bunten Woll-
garnen schafft sie ein Erinnerungsbild feuriger Blumen
und wuchernder Ranken: schön wie die Natur, reich
wie das bewegte Leben — und nicht so vergänglich . .
Ein Griffel ist die Nadel, der das Erleben der Frauen-
Seele niederschreibt: rätselvolle Gebilde und lautlose
Lieder, lieblich und schwer zu ergründen, — ein Werk-
zeug für feine Hände, für feines Empfinden . . Sie ist
immer willig, die Nadel, zu gestalten und zu verzieren.
An euch Frauen nur liegt es, sie richtig zu führen! Nützt
die Nadel immer zum Schaffen des Schönen, laßt
die Schönheit in eurem Werk uns spüren! . . hugo lang.
★
NA DEL-KUNST. Bei dem fertigen Kunstgebilde,
das »schlank und leicht, wie aus dem Nichts ent-
sprungen« vor dem entzückten Blick steht, wird meist
unterschätzt, daß hier viel gearbeitet worden ist mit einem,
alle Seelenkräfte anspannenden, Arbeitsmut, der aus
einem starken Willen und künstlerischer Gesinnung ge-
tränkt wird. Es bedarf einer klugen und sicheren Ariadne-
Hand, um den Faden des schöpferischen Willens durch
alle labyrinthischen Verschlingungen glücklich bis zum
Ziel hindurchzuführen . . Es ist noch keine Meisterin
»vom Himmel gefallen« . . Man wird es durch Lernen,
Lernen und nochmals Lernen! . . heloise von beaulieu.
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LOB DER NADEL
nützt die nadel zum schaffen des schönen i
Das einfachste und feinste Werkzeug, das der Mensch
sich erfand, ist die Nadel, — das wunderwirkende
Werkzeug der schaffenden Frau . . Mit Gewalt löst
der »Herr der Schöpfung« lästige Bindung; er rodet und
zimmert, er bricht, bildet und baut, er scheidet und
schafft . . Das Binden, Umwinden, Verknüpfen ist Auf-
gabe der sanfteren Frau. Nur die trennende Schere über-
nahm sie von ihm. Schnell zusammengefügt aber wird
das sinnvoll Geteilte mit der heilenden Nadel......
Zum Zusammenheften der schützenden Felle erfand
der Urmensch zuerst die Nadel. Aus Dornen, Gräten,
aus Horn, Knochen, aus Bronze, aus Eisen später wurde
sie geformt; in höchster Vollendung zuletzt aus elastisch-
hartem Stahldraht mit feinerOse.zurFührungdesFadens.
Feiner als alles andere ist ihre Spitze, schärfer ein-
dringend als jedes Geschoß, glatter und glänzender als
alles andere ist ihr schlanker Leib: Form der höchsten
Aktivität. Blitzende, schimmernde Stahlnadeln, zierliche,
blitzende Stahlfischchen, mit blauen Köpfchen, mit gol-
denen Köpfchen, in Milliarden unermüdlich wirkend und
webend, zur Tag- und Nachtzeit, wundersames Werkzeug
der vielen emsigen Frauen-Finger! Unsäglich einfach ist
die Form der Nadel, unsagbar reich die Welt der Formen,
die sie bildend schafft. Unsagbar nützlich ist ihr Walten,
unsagbare Schönheit ihr Werk, wenn formender Wille
sie führt . . In zartesten Linien schreibt sie dann auf den
duftigen Tüll zärtliche Hieroglyphen, von Schneekristallen
und rieselnden weißen Blüten dichtet sie dann in genähten
Spitzen ein Lied, aus glänzenden Seiden und bunten Woll-
garnen schafft sie ein Erinnerungsbild feuriger Blumen
und wuchernder Ranken: schön wie die Natur, reich
wie das bewegte Leben — und nicht so vergänglich . .
Ein Griffel ist die Nadel, der das Erleben der Frauen-
Seele niederschreibt: rätselvolle Gebilde und lautlose
Lieder, lieblich und schwer zu ergründen, — ein Werk-
zeug für feine Hände, für feines Empfinden . . Sie ist
immer willig, die Nadel, zu gestalten und zu verzieren.
An euch Frauen nur liegt es, sie richtig zu führen! Nützt
die Nadel immer zum Schaffen des Schönen, laßt
die Schönheit in eurem Werk uns spüren! . . hugo lang.
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NA DEL-KUNST. Bei dem fertigen Kunstgebilde,
das »schlank und leicht, wie aus dem Nichts ent-
sprungen« vor dem entzückten Blick steht, wird meist
unterschätzt, daß hier viel gearbeitet worden ist mit einem,
alle Seelenkräfte anspannenden, Arbeitsmut, der aus
einem starken Willen und künstlerischer Gesinnung ge-
tränkt wird. Es bedarf einer klugen und sicheren Ariadne-
Hand, um den Faden des schöpferischen Willens durch
alle labyrinthischen Verschlingungen glücklich bis zum
Ziel hindurchzuführen . . Es ist noch keine Meisterin
»vom Himmel gefallen« . . Man wird es durch Lernen,
Lernen und nochmals Lernen! . . heloise von beaulieu.