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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 33.1922

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Geron, Heinrich: Vornehmheit und Innere Harmonie
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https://doi.org/10.11588/diglit.10456#0301

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XXX111. JAHRGANG.

DARMSTADT.

SEPTEMBER 1922.

VORNEHMHEIT UND INNERE HARMONIE

grundsätze zur lebens-gestaltung

Das wahrhaft Schöne,« — sagt Schiller, unser
großer Erzieher und Schönheitslehrer in seiner
ganz endgültigen Abhandlung »Über die not-
wendigen Grenzen beim Gebrauch schöner For-
men«, — »gründet sich auf die strengste Be-
stimmtheit, auf die genaueste Absonderung, auf
die höchste innere Notwendigkeit; nur muß diese
Bestimmtheit sich eher finden lassen als gewalt-
sam hervordrängen. Die höchste Gesetzmäßig-
keit muß da sein, aber sie muß als Natur er-
scheinen. Ein solches Produkt wird dem Ver-
stand vollkommen Genüge tun, sobald es studiert
wird, aber eben weil es wahrhaft schön ist, so
drängt es seine Gesetzmäßigkeit nicht auf, so wen-
det es sich nicht an den Verstand insbesondere,
sondern spricht als reine Einheit zu dem har-
monierenden Ganzen des Menschen—, als Natur
zur Natur. Ein gemeiner Beurteiler findet es viel-
leicht leer, dürftig, viel zu wenig bestimmt; ge-
rade dasjenige, worin der Triumph der Darstel-
lung besteht, die vollkommene Auflösung der Teile
in einem reinen Ganzen beleidigt ihn, weil er nur
zu unterscheiden versteht, und nur für das Ein-
zelne Sinn hat.« Diese wenigen Sätze des vor-
bildlichen Dichter-Denkers geben ein eindeutiges

1922. ix. 1.

Charakteristikum des Schönheits-Begriffes, wie er
absolut ist und durch alle Zeiten als Forderung
bestand. Das Unauffällige im Gepräge, das takt-
volle Zurücktreten des Einzelnen in das Ganze,
das ruhige, selbstbewußte Sich-Einfügen, das
Schlichtsein und das Eingeschlichtetsein, das wür-
dige Einbezogensein der Teile in den großen Zu1-
sammenhang, die angemessene und dabei laut-
lose Gesetzmäßigkeit und Geschlossenheit im Ge-
haben, das Bestimmte aber nicht gewaltsam Be-
tonte im Auftreten, dies alles echte Tugenden,
die heute gebieterischer als je zu fordern sind —,
sie alle zusammengefaßt, ergeben als Summe die
Qualität, um die wir alle bestrebt sind: Vor-
nehmh eit. . Was ist denn Vornehmheit — gleich-
gültig hier ob es sich um Vornehmheit des Cha-
rakters und der Sitten, der Lebenshaltung oder
eines Kunstwerks, einer Wohnungs-Einrichtung
handelt ■— anders als eine Eigenschaft, die auf
der inneren Harmonie beruht, der ruhigen,
ausgeglichenen Lebensbewußtheit und dem Adel
der einfachen, erlesenen Form, was ist sie anders
als die Kunst: so gediegen zu sein, daß man nicht
auffällt, und nur das lebendige Verständnis es un-
mittelbar empfindet und fühlt? . . Heinrich geron.
 
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