Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 33.1922
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https://doi.org/10.11588/diglit.10456#0184
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Schiebelhuth, Hans: Das Wesen der Bauseele
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INNEN-DEKORATION
kurt fr1ck-
köniosberg.
nebentreppe
im haus g.
Bau-Seele nenne ich die Gesamt-Summe aller seeli-
schen Werte, die in einem Gebäude als Einheit stecken.
Die Seele des Baumeisters, die sich in seinem Werk aus-
gedrückt hat, ist hie und da erkenntlich und hat Charakter
gegeben. Die Seele der Zeit, die das Bauwerk schuf,
kommt zur Geltung. Die Seele des ewigen Menschen,
des glühenden Christen hat ihr Teil wahrgemacht. Dann
untersuche ich von anderer Seite her. Ich erkenne, daß
das Werk eine beseelte Körperlichkeit, eine körperge-
bundene Beseeltheit ist. Aber dies teilt sich mir bald.
Hier istKörper-Seele, vom Lebenshauch des Materials
hinauf bis in die Seele des gesamten Baukörpers. Dort
ist Geist-Seele, von der Beseelung der kleinsten Form
bis an die Beseelung des großen architektonischen Ge-
halts. Aber nicht genug damit, daß jeder Stein sein ge-
heimes Leben hat, daß jede Stilblume atmet, bald erkennt
man auf der einen Seite die Seele des Ganzen als Sach-
oder Ding-Seele,auf der andern dementsprechend die Seele
des Ganzen als geistige Tatsache, die Tatsache-Seele.
Aber noch nicht genug, ich folge der Hinaufflucht eines
Pfeilers, er hat seine Teil-Teele, da er gegenständlich ist,
muß es Gegenstands-Seele sein. Ich gebe mich dem
Raum eines Seitenschiffs hin: da dieser Raum, obwohl
gegenständlich abgegrenzt, ungegenständlich, an sich nur
räumlich ist, muß ich von einer Raum-Seele sprechen.
Mir fällt die Teufelsfratze eines Wasserspeiers auf, er
hat einen allegorisch-symbolischen Inhalts-Ausdruck, es
teilt mir die Seele dieses seines Sujets mit. Zweifellos
gibt es die Seele des bildlich dargestellten Inhalts. . . Ich
gestehe, ich bin erschöpft. Ich kann mit Wort und Ver-
stand nicht weiter, denn hier sind unerforschliche Ge-
heimnisse, zu denen sich unserm Verstand keine Tür auf-
tut. Ich weiß, daß ich mich nachdenkend nicht in die Welt
dieser Ubersinnlichkeit begeben kann. Ich sehe ein, daß
Seele an sich nur zu Seele spricht, — ich will also meine
Seele wachhalten und horchen. Ich will mich begnü-
gen, dein Vorhandensein gläubig zu wissen: Bau-Seele,
du leibgebundene Wirklichkeit, die im Gebäude wahr
ward, — du metaphysische Großmacht, die dem Gebäude
Körper zu werden ermöglicht hat. . hans schiebelhuth.
INNEN-DEKORATION
kurt fr1ck-
köniosberg.
nebentreppe
im haus g.
Bau-Seele nenne ich die Gesamt-Summe aller seeli-
schen Werte, die in einem Gebäude als Einheit stecken.
Die Seele des Baumeisters, die sich in seinem Werk aus-
gedrückt hat, ist hie und da erkenntlich und hat Charakter
gegeben. Die Seele der Zeit, die das Bauwerk schuf,
kommt zur Geltung. Die Seele des ewigen Menschen,
des glühenden Christen hat ihr Teil wahrgemacht. Dann
untersuche ich von anderer Seite her. Ich erkenne, daß
das Werk eine beseelte Körperlichkeit, eine körperge-
bundene Beseeltheit ist. Aber dies teilt sich mir bald.
Hier istKörper-Seele, vom Lebenshauch des Materials
hinauf bis in die Seele des gesamten Baukörpers. Dort
ist Geist-Seele, von der Beseelung der kleinsten Form
bis an die Beseelung des großen architektonischen Ge-
halts. Aber nicht genug damit, daß jeder Stein sein ge-
heimes Leben hat, daß jede Stilblume atmet, bald erkennt
man auf der einen Seite die Seele des Ganzen als Sach-
oder Ding-Seele,auf der andern dementsprechend die Seele
des Ganzen als geistige Tatsache, die Tatsache-Seele.
Aber noch nicht genug, ich folge der Hinaufflucht eines
Pfeilers, er hat seine Teil-Teele, da er gegenständlich ist,
muß es Gegenstands-Seele sein. Ich gebe mich dem
Raum eines Seitenschiffs hin: da dieser Raum, obwohl
gegenständlich abgegrenzt, ungegenständlich, an sich nur
räumlich ist, muß ich von einer Raum-Seele sprechen.
Mir fällt die Teufelsfratze eines Wasserspeiers auf, er
hat einen allegorisch-symbolischen Inhalts-Ausdruck, es
teilt mir die Seele dieses seines Sujets mit. Zweifellos
gibt es die Seele des bildlich dargestellten Inhalts. . . Ich
gestehe, ich bin erschöpft. Ich kann mit Wort und Ver-
stand nicht weiter, denn hier sind unerforschliche Ge-
heimnisse, zu denen sich unserm Verstand keine Tür auf-
tut. Ich weiß, daß ich mich nachdenkend nicht in die Welt
dieser Ubersinnlichkeit begeben kann. Ich sehe ein, daß
Seele an sich nur zu Seele spricht, — ich will also meine
Seele wachhalten und horchen. Ich will mich begnü-
gen, dein Vorhandensein gläubig zu wissen: Bau-Seele,
du leibgebundene Wirklichkeit, die im Gebäude wahr
ward, — du metaphysische Großmacht, die dem Gebäude
Körper zu werden ermöglicht hat. . hans schiebelhuth.