Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 33.1922

DOI article:
Breuhaus de Groot, Fritz August: Architekt und Auftraggeber
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.10456#0364

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
352

INNEN-DEKORATION

Für den Architekten bietet sich also »auf den Bret-
tern, die seine Welt bedeuten« entweder: ein lebensvolles
»Schauspiel« mit hohem Genuß, — oder eine, höchst
unerquickliche, »Tragödie«, die ihm die Zeit zu wertvol-
lerer, positiver Arbeit raubt, oder eine »Komödie«, — bei
der er sich wohl mitunter phantastisch austoben kann..
Das ständige Stoß-Gebet des gequälten Architekten lau-
tet: »Gib uns geschmacklich sichere, kultivierte Auftrag-
geber und verständige Bauherren, — die Wertschätzung
und Verständnis für unsere künstlerische Arbeit besitzen!«
Wie selten aber findet dieser stille Seufzer Gehör! . .



Der Bauherr, der Auftraggeber, der »Kultur« hat,
der mit Ernst und Liebe sein Empfinden geschult hat und
nur auf eine dauernd wertvolle Leistung bedacht ist, —
der hat auch Verständnis für die Mühen, die Arbeits-
leistung und für den Wert der Persönlichkeit des Künst-
lers . . »Segen und Heil auf ihn; möge er sich mehren
wie reifes Korn!« — würde wohl der Orientale sagen . .



Die der zweiten Kategorie, die »künstlerisch Halb-
gebildeten« wissen weder, was sie wollen, noch verstehen
sie, was der Architekt will. Sie sind unsicher und unselb-
ständig in Dingen der Kunst und Kultur — und holen
sich meist Rat bei Dritten, die zumeist noch weniger
wissen, was zu tun ist. . Schon bei der Auftrag-Erteilung
bekommt der Architekt die Wermutstropfen in die Schale
seiner Freude geträufelt. Irgend etwas, was der Bauherr
irgendwo sah, — und was dort vielleicht seine Berech-
tigung hatte, ■— wünscht auch er zur Anwendung ge-
bracht. Er will es immer den anderen »nachtun« . . .
Dieser geschmacklich unsichere Bauherr, — der zwischen
dem Sicheren und dem seiner Unsicherheit Sich-Bewuß-
ten steht, — dem die Fähigkeit abgeht, sich in das
künstlerische Werk zu vertiefen, und der doch glaubt,
urteilen zu können, weil er jedes Dritten Meinung immer
wieder als maßgebend betrachtet, — dieser Bauherr ist
der Gefährlichste. Er ist der Mörder der künstlerischen
Empfindung, die den Architekten bei seiner Arbeit leitet.
(Keineswegs aus Liebe widme ich dieser Gruppe so viele
Worte, sondern nur im Hinblick auf ihre gefährliche
Verbreitung, und weil ich endlich einmal meinem lange
angestauten »Ingrimm« freien Lauf lassen will, ■—
der Zustimmung ungezählter Leidensgenossen gewiß).
Der besagte Bauherr der zweiten Kategorie beachtet die
Pläne, an denen der Künstler monatelang arbeitet, kaum;
er geht, — um seine Unsicherheit zu verdecken, — auf
die Erklärungen des Künstlers über seine Entwürfe nie
ein. Um so mehr Interesse wendet er hingegen den
Kosten-Anschlägen zu: — hier, wo es sich um Zahlen
handelt, sitzt er im Sattel. Er zeigt seine Energie darin,
die Preise der Künstler und Bildhauer zu »drücken«; die
Pläne sind ja Papier, die Modelle aus Gips, mithin keine
Werte wie Ziegel, Holz, Eisen und Blech . . Die mühe-
volle Kopf-Arbeit, den geistigen Kampf mit den Grund-
lagen, Bedingungen, Möglichkeiten und den Wünschen
des Auftraggebers, die klärende, organisierende, form-
schaffende, gestaltende Künstler-Leistung rechnet und
schätzt er nicht . . Er will zu einem Schrank, — der in
irgend einem Massenlager seine Geburtsstätte hatte, —
ein Zimmer komponiert haben; er versteht nicht, daß der
Künstler seine Ideen nicht »fabrikationsmäßig« herstellen
— und warum er nicht zu dem von ihm festgesetzten
Lief er-Termin abliefern kann . . Ja, wenn es noch ein

Schrank aus guter Zeit wäre, hätte es, im Hinblick auf
die gute Form des Stückes, vielleicht Berechtigung,
diesem den Raum anzupassen. Aber um ein seelenloses
Massen-Fabrikat einen neuen Raum herum zu bauen, —
das ist eben für den Künstler unmöglich! . . Da stehen
dann, wenn das Haus bezogen ist, all die unzulänglichen
Dinge und Lösungen herum; und die Menschen, die in
der Arbeit vielleicht das Können des Künstlers empfin-
den, fragen — und verstehen nicht: warum hier der
Künstler, — an den Bauherrn denkt niemand — ver-
sagte ! — Und was den Liefer-Termin betrifft: wie schwer
ist es heute für den Baukünstler, eine Firma zur Aus-
führung der Arbeiten zu bekommen, die richtigen Künst-
ler-Mitarbeiter zu finden, wie muß er sich sorgen, daß
die Arbeit auch in Angriff genommen und durchgeführt
wird! Alle Schuld trifft immer das Haupt des Archi-
tekten; all sein Mühen, die Gedanken des Bauherrn zu
fassen, mit seinen künstlerischen Gedanken zu verquicken
und ein Werk zu erzielen, das sowohl den Bauherrn, wie
auch ihn selbst befriedigt, — wird durch das Versagen
des Lieferanten getrübt.. Nähert sich alles der Vollendung,
so werden im letzten Augenblick noch künstlerische Not-
wendigkeiten, die dem Ganzen das letzte »Cachet« geben,

— wie der Franzose sagt, — »the Finishing Touch«, —
wie der Engländer sagt, — das »Pünktchen auf dem i«,

— wie wir zu sagen pflegen, — aus irgendeinem,
psychologisch-unerfindlichen Grunde, — nicht aus Mangel
an Geld, — gestrichen . . Soviel von der sehr bösarti-
gen zweiten Gruppe der Bauherren und Auftraggeber.

*

Die dritte Kategorie der Bauherren hat immer eines:
»Geld« . . Für sie zu arbeiten, ist sehr leicht. Sie ge-
nehmigt gerne alles, was der Künstler vorschreibt, — weil
sie doch nichts versteht. Die Räume, die hier geschaffen
werden, sind aber meist unpersönlich, wie die Auftrag-
geber; oft auch Phantasien, Versuche, die dem Künstler
wohl ermöglichen, einen Teil seiner Gedanken in die
Wirklichkeit umzusetzen. Solche Auftrag-Geber sind
sicher besser als gar keine, — aber die idealen Bauherren,
wie sie eine echte Wohnkultur fordert, sind sie nicht . .
Denn: nur aus der Zusammen-Arbeit von Bauherr
und Architekt, aus innerer Übereinstimmung und gegen-
seitiger Anregung erstehen wahrhaft lebendige Wohn-
bauten und Wohnräume. Der Architekt itt Künstler:
er benötigt »Resonanz«, feinfühlig mitschwingende Auf-
trag-Geber, um das Bauwerk, den Raum zum Klingen
zu bringen. Der Architekt ist Mensch: er will für be-
seelte Menschen eine menschenwürdige, be-
seelte Wohnstätte und Umwelt schaffen. . .



Wenn ich all dies durchlese, suche ich vergeblich den
»Humor«, der von mir gefordert wurde . . Ich sehe: es
ist nur ein »Stoß-Seufzer« geworden. Ihm kann ich nur
noch hinzufügen, daß wohl ein eisernes Gesetz den Künst-
ler verpflichtet, zu schaffen und erziehend zu wirken,

— mag er auch wehmütig alter Zeiten gedenken, wo die
Entwicklung beruhigter sich vollzog und das Neue orga-
nisch aus dem Bestehenden erwachsen konnte, wo den
Künstler die Kultur und das Schönheits-Empfinden der
Auftrag-Geber unterstützte und förderte . . Vielleicht
sind die Erzählungen solcher Zeiten auch nur — Märchen? .

Heute jedenfalls kämpft der Künstler, der künst-
lerisch schaffende Architekt einen schweren Kampf und
muß hart ringen — um die Vollendung seines Werkes, b.
 
Annotationen