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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 13.1897-1898

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Semrau, Max: Böcklins Entwurf zu Wandgemälden im Treppenhause des Breslauer Museums
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https://doi.org/10.11588/diglit.12047#0018

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Böcklins Entwurf zu Wandgemälden im Lrepxenhause des Breslauer Museums, von Prof. vr. Mar Semran.


ist in dem Bilde links der Schrecken, dunkler Wald, ein
blutiger Altar, entsetzte Menschen; alles das, was dann
in der Ausführung noch bedeutender zu schildern ist, er-
weckt ein unheimliches Gefühl. Gegenüber ist freudige
Ueberraschung. Beide Bilder sind mit der ganzen Kraft
und Tiefe der Farbe zu geben. Nun kommt aber^das
mittlere Bild, das die anderen in Erscheinung und Ge-
mütseindruck überragen soll, so daß dieselben mehr wie
Nebenbilder wirken, da bleibt nur übrig, daß nach so
viel geschilderter Gemütsbewegung der Beschauer selbst
ein wenig erschreckt wird. Wird dieses mit der vollsten
Pracht des Lichts, die im Fresko zu Gebote steht, gegeben,
so glaube ich, daß das Interesse beim abwechselnden Be-
schauen der Bilder immer in Spannung bleiben wird.
Man wird dann nicht mit dem Beschauen ein für alle-
mal fertig, sondern muß immer wieder hingehen, wie man
gute Musik oder Poesie nie satt wird, weil auch durch
große Kontraste die Seele gerührt wird, daß es noch
lange weiter klingt".

Auf eine Kontrastwirkung im malerischen Sinne hatte
Böcklin, wie er in einem früheren Briefe ausführte, auch
die Idee für die Gemälde der anderen Wand berechnet,
die nun freilich über ihre schriftliche Fixierung nicht hinaus-
gekommen ist. »In lucs üorent artes« sollte etwa ihr
Motto sein. „Dem ernsten Auftreten des Christus wäre
die anmutigste Scene gegenüberzustellen, was sich eben
erfinden läßt vom Blühen der Kunst — Musenhain mit
Reigen — allgemeine Heiterkeit, Dichter im Gebüsch,
Vögel auf den Zweigen, Helle Frühlingsluft, Blick auf
ferne Städte, Bauten u. s. w. Was ließe sich alles
machen, wie würde das gehoben durch den ernsten Ton
der gegenüberstehenden Bilder!" Man merkt dem warmen
Klang dieser Worte wohl an, daß die Aufgabe dem Meister
ans Herz gewachsen war, wie er dies selbst auch gelegent-
lich ausspricht. . . Weshalb nun trotz alledem nichts
daraus geworden ist, ausführlich zu erzählen, gehört nicht
hierher. Man war in Schlesiens Hauptstadt damals viel-
leicht noch nicht „Böcklinreif" genug und stieß sich, wie

ja bereits angedeutet, an Bedenken, die für den Künstler
nicht existierten. Sein eigentliches Grab aber hat der
Entwurf in der „Landeskunstkommission" in Berlin ge-
funden, der er um eines Staatszuschusses willen zur
Prüfung vorgelegt werden mußte. Ihr Gutachten ent-
wickelt den eigentümlich verständnislosen Gedanken, die
drei Bildfelder durch Entfernung der trennenden Säulen
zu einer Fläche zusammenzuziehen, d. h. also die architek-
tonische Organisation des Raumes und die zwanglos ge-
gebene Rhythmik der Anordnung mutwillig zu zerstören!
Gerade hierfür aber hatte Meister Böcklin ein besonders
tiefes Verständnis gezeigt und durch eine Spezialfeinheit
seines Entwurfes bethätigt. Die einzelnen Bildfelder
waren nämlich — und sind es noch heute — innerhalb
der davorgesetzten Pilaster von einem geputzten, oben
halbrund abschließenden Rahmen von ziemlich kleinlicher
Faktur umgeben. An Stelle dessen setzt Böcklins Entwurf in
genialer Einfachheit eine gemalte Bogenarchitektur,
die eine ideale Halle veranschaulicht, und der Meister hat es
sich gleich in seinem ersten Brief an Berg angelegen sein
lassen, die künstlerische Notwendigkeit dieser Aenderung um
der durchgreifenden Raumillusion willen ausführlich zu
erörtern. Es ist nicht schwer zu verstehen, daß er einer
Zumutung gegenüber, die leichten Herzens ihm die Grund-
lage seiner künstlerischen Rechnung zu korrigieren meinte,
die Lust an der zuerst mit solcher Liebe ergriffenen Auf-
gabe verlor. Breslau aber ist dadurch um den Ruhm
gekommen, eines der wenigen Werke der Monumental-
malerei zu besitzen, die Arnold Böcklin geschaffen hat.

Daß etwa ein Jahrzehnt nach den erwähnten
Verhandlungen die Wandfelder im Treppenhause des
Breslauer Museums mit Fresken Hermann Prells
geschmückt worden sind, ist in dieser Zeitschrift ja bereits
an anderer Stelle (XI. Jhrg. H. 4) berichtet worden.
 
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