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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 13.1897-1898

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Personal- u. Atelier-Nachrichten - Denkmäler - Vermischte Nachrichten - Ausstellungen und Sammlungen - Kunstliteratur u. vervielf. Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.12047#0099

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Personal- und Atelier-Nachrichten.


Karlsruhe. Professor Gustav Schönleber hat dieser
Tage sein für den Schreibsaal des neuen Reichstagsgebäudes he-
slimmtes Kolossalgemälde der Ansicht von Alt-Straßburg,
nachdem es zwei Tage hier ausgestellt war, nach Berlin ab-
geliefert. Bekanntlich war die Wahl des Gegenstandes, mit der
Beschränkung auf eine Stadt Südwestdeutschlands, dem Künstler
nahezu freigestellt. Hier that nun der Meister mit der Wahl der
nach langer Entfremdung wiedergewonnenen alten Reichsstadt
einen höchst glücklichen Griff. Im Goldlicht der herbstlichen Abend-
sonne liegt sie vor uns, von Nordost aus betrachtet, in der Mitte
vorn die romanische Stefanskirche mit der Rabenbrücke und dem
Zusammenfluß der beiden die Altstadt umsäumenden Jllarme.
Rechts dahinter steigt das gewaltige Münster, von der malerischen
Chorseile aus gesehen, in den lichten, leichtbewölkten Abendhimmel,
umgeben von dem Priesterseminar und der doppeltürmigen
Thomaskirche. Rechts zieht sich der in vollem Sonnenschein
liegende Schifsleutstaden mit seinen pittoresken, alten Gebäuden
in die Tiefe des Bildes, dahinter u. a. das hohe Bürgerspital
und die Magdalenenkirche und darüber die duftige Vogesenkette,
in der man deutlich das bekannte St. Ottilienkloster wahrnimmt.
Das Ganze ist, wie schon gesagt, in die warme Abendglut einer
sonnigen Herbststimmung getaucht, in einer Transparenz und
Flüssigkeit, wie wir es eben nur bei Schönleber gewohnt sind,
dabei ist insbesondere das Detail der Architektur, das hier eine
so große Rolle spielt, in liebevollster Sorgfalt ausgeführt. Der
berühmte Karlsruher Landschafter hat hier ein hochvollendetes
Werk geschaffen, das ihm ersichtlich ans Herz gewachsen war und
das ihn auch in dem zur Ehre unseres Volkes errichteten vor-
nehmsten deutschen Gebäude aufs würdigste vertritt. l?6e7s
v. V. Wien. Zwei eigenartige Talente unter den Wiener
Plastikern sind Arthur Straffer und die Russin Theresa
Feodorowna Ries, von denen wir hiermit hervorragende
Werke reproduzieren. Straffer ist ein großer Künstler in der
Kleinplastik. Erfinder der farbigen Bildnerei könnte man ihn
nennen. Seine Gestalten und Gruppen zeigen indes nicht das
leichte, beiläufige Kolorit der Tanagrafiguren, sondern sind farben-
gesättigt, insbesondere seine dem Orientleben entnommenen. In
dieser Besonderheit ist Straffer ganz einzig. Auf den letzten
Ausstellungen haben seine mächtigen Elephantengruppen („Ritt
zum heiligen Fluß", „Gebet des Inders"), „Marc Antonius"
und die Amazonenkönigin „Myrina" berechtigtes Aussehen erregt.
Die beiden Letztgenannten tragen ein großartiges Gepräge. So
denkt man sich den großen Römer von der afrikanischen Ueppigkeit
schlaff geworden, mit vom Lotterleben aufgedunsenem Angesichte,
den in Lust verfetteten Sklaven der Nilkönigin aus dem Löwen-
wagen. Ebenso wahr erscheint uns die Königin „Myrina",
die Gebieterin der Amazonen, welche wir auf Seite 77 repro-
duzieren. Das wuchtige Weib auf seinem löwenflankierten Stein-
thron wirkt mit brutaler Unmittelbarkeit. Auf dem kolossalen
Leibe, dessen Fett afrikanisch-königliches Schlemmerleben an-
geschwemmt hat, sitzt ein verhältnismäßig kleiner Kopf von be-

redtestem Ausdruck. Man liest in diesem Gesichte Blutdurst,
Grausamkeit, Stumpfheit und Machttrotz. Der weibliche „Ueber-
mensch", wie er auf dem Negerthron gedeiht. Nur ein Künstler
wie Straffer vermag diesem Fleischkoloß Leben einzuhauchen.
Zahlreich sind seine Genrefiguren aus dem ägyptischen Volksleben;
eine „Wasserträgerin" ist im Besitze der Kaiserin. Unter den
Köpfen ist ein „Sklave des Nero" besonders ausdrucksvoll.
Strassers Talent besitzt übrigens eine intime Seite voll feiner
Empfindsamkeit, die wir noch hervorheben wollen. Dieser intimen
Kunst sind tiefempfundene Werke wie „Verlassen" (Mägdlein am
Grabkreuze), „Das Brieflein", „Blick in die Ewigkeit" u. s. w.
entsprungen. — Fräulein Ries, deren beide Hauptwerke „Hexe"
und „Luzifer" wir wiedergeben (s. S. 78 u. 79), ist wohlhabender
Leute einzige Tochter aus Moskau. Sie hat vier Brüder, aber
keiner ist Künstler; sie allein ward in Kunst begnadet. Große
Reisen bis zum Ural hier, bis tief in den europäischen Westen
dort, vollendeten ihre Erziehung. Für ihre künstlerische Ent-
wickelung jedoch wurde erst eine sibirische Reise bestimmend, ja
entscheidend. Die großen, schwermütigen Linien der Landschaft,
die urwüchsige Widerstandskraft der Menschen entsprachen ihrem
künstlerischen Empfinden. Sie war als Abseitsgeherin angelegt,
wurde als Künstlerin eine solche, blieb es auch bei ihrem Abgang
von der Moskauer Kunstakademie und ist es heute noch. Gerade
deshalb hat sie wohl, als sie nach. Wien kam, bei ihrem Lehrer,
Professor Hellmer, ganz besonderes Interesse gesunden. Bei ihm
bildete sie die Fertigkeit der Formengebung bis zur Meisterschaft
aus. Heute steht dieses junge Mädchen von einnehmender Er-
scheinung da als eine vollendete Künstlerin, als ein fertiger Künstler-
charakter mit starken Ueberzeugungen und nur einem Glauben,
dem Glauben an die hohe Seelenbefreierin Kunst. Was zu lernen
war, eignete sie sich an, von ihrem eigenen Kunstempfinden
jedoch gab sie nicht das mindeste Preis. Und dics war gut.
Im verflossenen Jahr erhielt Theresa Ries im Künstlerhaus
die große goldene Karl Ludwigs-Medaille — eine für eine
Künstlerin höchst seltene Auszeichnung. Das prämiierte Werk
war die „Hexe", welche im Begriff ist, für den Walpurgis-
nachtritt Toilette zu machen. Die unheimliche, nackte Besen-
amazone, in hexenhaft anstößiger Stellung, den Besen unter den
Beinen, auf einem Felsblock hockend, beschneidet sich gerade die
Fußkrallen. Es ist ein für eine weibliche Künstlerhand, gelinde
gesagt, verwegenes Werk, aber geniale Ausfassung und tüchtige
Ausführung lassen sich ihm nicht absprechen. Der „Luzifer"
hat in der diesjährigen Jahresausstellung und auch in München
auf der heurigen Internationalen Aufsehen erregt. Die Gestalt
überrascht nicht minder durch den seelischen Ausdruck des

Kaiser Franz Zoses I. Lart Fröscht xinx.

Di- «aast für Alle XIII.

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