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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 13.1897-1898

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Katsch, Hermann: Wie ein Deckenbild gemalt wird?
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https://doi.org/10.11588/diglit.12047#0110

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Deckengemälde im Hermann Ratsch pinx.

Theater des Westens zu Berlin.

Wie ein Deckenütld gemalt ivirür

von Hermann Latich.

ch denke mir das schrecklich schwer, so oben an der
Decke stehen oder liegen und dann immer nach oben
gerichtet malen zu müssen! Wie halten Sie das nur
aus?" so sagte jemand zu mir, dem ich die eben vollendete
Decke über dem Zuschauerraum des jetzigen Goethe-Theaters
in Berlin zeigte. Ach, wenn das das Schwerste wäre —
doch um in Kürze ein Bild von der Entstehung einer
solchen Arbeit zu geben, will ich von vorne anfangen.

Es klingt scherzhaft, aber meine Kollegen werden
mir beipflichten, wenn ich einer der allerbedeutendsten
Schwierigkeiten der ganzen Sache zuerst gedenke: der
Schwierigkeit nämlich, mit einer so schönen und ernsten
Aufgabe, wie es das Malen eines Deckenbildes von
ca. 200 cxm Fläche für einen jeden ist, überhaupt be-
traut zu werden. Doch Scherz beiseite: der Auftrag ist
sicher, die Arbeit beginnt mit der Skizze zum Ganzen.

Obgleich die Decke bloß als dienendes Glied zum
prächtigen Eindruck des ganzen Zuschauerraumes bei-
tragen und nicht für sich selbst eine besondere Bedeutung
beanspruchen sollte, wünschte der Erbauer des Theaters
eine mit der besonderen Veranlassung im Zusammen-
hänge stehende Grundidee für das Deckenbild. Es giebt
eine große Zahl sehr tüchtiger Maler, die es verwerfen,
einem Deckenbild, dem der Beschauer, welcher zum Ge-
nuß anwesend ist, höchstens eine halbe Minute die Gunst
anthut, sein Genick durch Betrachten der Malerei da oben
anzustrengen — es giebt Maler, sage ich, die es ver-
werfen, einem derartig schwer zu betrachtenden Bilde

irgend eine Idee zu Grunde zu legen. Die großen
dekorativen Maler vergangener Zeiten, vor allen der
Prächtige Tiepolo, haben uns eine solche Fülle von
Motiven für derartige Zwecke hinterlassen, daß es kaum
möglich scheint, neue eigene zu erfinden oder wenigstens
so glücklich zu erfinden, daß man der Wirkung derselben
als Deckenfigur sicher sein könnte. Denn es ist doch
Wohl bei einiger Ueberlegung klar, daß, seit man über-
haupt anfing Figuren, die über uns befindlich gedacht
sind, auch so zu zeichnen und zu malen, d. h. aus der
Froschperspektive, daß sich da sofort herausstellte, daß
man da zu ganz andern Darstellungen, zu andern Be-
wegungen und Posen greifen mußte als bei Wandbildern.

Nehmen wir eine gerade dastehende Figur, so wird
dieselbe gerade von unten gesehen stark ineinandergeschoben
erscheinen, und die Figur würde, wie ein zusammenge-
schraubtes Fernrohr gegenüber einem auseinandergezogenen,
kurz und plump aussehen, weil alle Vertikalmaße so
reduziert sind, daß mit denselben keine Vorstellung von
der faktischen Größe der Figuren erzielt werden kann;
dies kann nur durch Ausnützung der andern Dimension,
der Breite, erreicht werden. Deshalb „schlenkern", wie
Unverständige sagen, die Deckenfiguren ihre Extremitäten
nach allen Seiten, weil nur die vom Körper abstehenden,
ins Breite reichenden Arme oder Beine dem Beschauer
durch ihre Maße eine Vorstellung von den Dimensionen
des stark zusammengeschobenen Rumpfes beibringen
können.

Die Runst für Alle XIII, 6. 15. Dezember 169?.

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