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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 13.1897-1898

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Hartleben, Otto Erich: Der römische Maler, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.12047#0356

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2Sl)

Der römische Maler. von Vtto Erich Hartleben.

gab sich erst im dritten Jahre unserer Bekanntschaft. Es
war da eine neue Wandlung mit ihm geschehen. Er fühlte
sich als „Weltauge" und sprach ein eigenes pantheistisches
Idiom. Sor Rodolfo war daran schuld. Angeregt
durch meine Herausgabe des alten Gottesdichters Angelus
Silesius hatte dieser es auch nicht lassen können und
weil er von Haus aus wohlhabend war, hatte er ein
„Pantheistisches Laicnbrevier" drucken lassen, in dem der-
selbe Angelus Silesius nach Kräften schematisiert, wiederum
erschien. Nun brauchte Sor Rodolfo, während er die
Korrekturen zu diesem seinen Jungfernbuche las, jemanden,
mit dem oder gegen den er mit seinem stark- und wohl-
töncnden Organ über Mystik und andere letzte Dinge
reden konnte. Ludovico war ihm da sehr willkommen:
er widersprach ihm nie, saß unentwegt mit tiefernster
Miene da und bestärkte ihn durch gelegentliches gewichtiges
Nicken des Kopfes in seinen theosophischen Ueberzeuguugen.
Leider benahm sich Sor Rodolfo hiergegen recht undank-
bar, denn wenn er Ludovico auch schon mal einen Anzug
schenkte, so ließ er ihn doch nicht entsprechend enger
macheu. Und Sor Rodolfo war wesentlich dicker als
Ludovico.

In diesem Jahre nun, während der pantheistischen
Lebensperiode des römischen Malers, war es, daß ich
Gelegenheit fand, ihn nach seiner Vergangenheit zu fragen.
Er war damals noch ernster gestimmt als früher und seine
kurzen Worte klangen noch tiefsinniger als sonst.

Es geschah, daß ich ihn einmal allein in seinem
Atelier, draußen an der via lUaminia, antraf. Er saß
gebückt auf einem Stuhl, hatte die Füße auf eine alte Kiste
gestellt und ein Tamborin zwischen die Knie geklemmt. Auf
das Tamborin malte er das Profil eines schönen Mäd-
chens, wie es die Fremden, welche nach Rom kommen,
so gern an den häuslichen Herd mitnehmen. Sie bringen
es ihren Gattinnen mit und bemerken dabei schelmisch:
Schmücke dein Heim.

Wenn man bedenkt, daß Ludovico in der ge-
schilderten unbequemen Stellung nicht nur Pinsel und

Palette hielt, sondern auch ununterbrochen selbstgedrehte
Zigaretten zu rauchen fertig brachte, so wird man wieder
einschen, daß man es in ihm mit keinem gewöhnlichen
Maler zu thun hat, vor allem nicht mit einem von

denen, die sich ihre Arbeit durch allerlei raffinierte Be-
quemlichkeiten zu erleichtern suchen. Der Schweiß lief
ihm von der Stirn und er mußte ihn immer wieder
mit dem Rockärmel abwischen.

— Bitte, setz' dich, sagte er kurz, nachdem er mir
gleichmütig geöffnet hatte, und ohne seine Miene zu

verändern, setzte er sich wieder in Position und malte

weiter. Manchmal liebte er es, seine angespannte künst-
lerische Thätigkeit ein wenig zur Schau zu stellen.

Ich setzte mich auf ein Möbel, das am Nachmittage
den Namen Sopha trug, einen Teil der Nacht und vor-
mittags dagegen dem Künstler als Bett diente. Es war
mit etlichen Stücken schönfarbiger Stoffe bedeckt, die von
den Malern Mittwochs auf dem campo cke üori so
gern erworben werden, weil sie ihren schwelgerischen
Augen wohl thun.

Nach einigen einleitenden knappen Worten der All-
täglichkeit äußerte Ludovico die Ansicht, das Schicksal
jedes einzelnen Menschen sei von Ewigkeit her mit Not-
wendigkeit in sich bedingt.

Mir kam das nicht überraschend, denn ich wußte,

daß Sor Rodolfo seit einigen Wochen nachts in den
tönenden Straßen Roms in seiner durch Strakosch ge-
bildeten Vortragsweise die orphischen Urworte donnerte:

„Me an dem Tag, der Dich der Welt verlieben,

Die Sonne stand znm Gruße der Planeten,

Bist alsobald und fort und fort gediehen,

Nach dem Gesetz, wonach Du angetreten."

Ich erinnerte ihn daran und er neigte bedeutend
das Haupt, indem er seiner Römerin ein fesches Glanz-
licht auf die feingeschwungene Nase setzte.

Die Gelegenheit war günstig: ich fand einen glück-
lichen Uebergang und fragte ihn, wie es denn eigentlich
mit seinem eigenen Schicksale bestellt sei und ob er auch
bei diesem die bedingenden Notwendigkeiteu begriffen habe.

— Was führte Dich nach Rom?

Er drehte sich eine Zigarette, und als sie fertig
war, antwortete er dumpfen Tones:

— Die Liebe.

— Ach! Pardon! Ich möchte nicht unzart sein, aber..
würdest Du wohl . . könntest Du mir das wohl erzählen.

lieber sein Tamborin gebeugt, murmelte er:

— Du rührst an meine bitterste Stelle.

Ich muß bemerken, daß es eine seiner Eigenarten
war, die Adjektiva in besonders kühner Weise zu ver-
wenden, wodurch seine Sprache häufig außerordentlich
originell wirkte.

— Du rührst an meine bitterste Stelle! Aber es
sei. Schon zu lange trag' ich es. Kein Mensch weiß
darum. Nicht einmal Sor Rodolfo Hab' ich es erzählt.
Er ist, wie Du weißt, schwerhörig wie die Nacht und
eine Geschichte wie die meinige ist nicht zu brüllen. —
Aber komm'! Fahren wir nach Trastevere hinüber, in
die Cisterna: da giebt es jetzt den besten Frascati Pastoso.
Die Pupille des Weltauges dürstet.

Das Tamborin flog neben mir aufs Sopha. Auch
mir war's lieber, daß wir gingen. Es hatte etwas Be-
ängstigendes, Ludovico arbeiten zu sehen.

(Der Schluß im nächsten Hefte.)

Aphorismen von A. Vtier.

Beim ersten Werk war er Briainal,

Und weil man darüber viel Lobes geschrieben,
Kopiert' er sich selbst das nächste Mal
Und ist seitdem dabei geblieben.

Man verlangt, dem Heiinatboden
Soll die echte Kunst entsteigen,

Und der Lrdgeruch der Scholle,

Draus sie wurde, sei ihr eigen.

Doch wie manchem großen Künstler
Hst die Heimat fremd geblieben,

Hat vielleicht ihn ohn' Erbarmen
Und Verständnis ausgetrieben l
wo er Wurzel dann geschlagen,

Soll er da nicht Früchte tragen?

Du sträubtest dich das Neue anzunehmen
Und trotztest ihm voll Feindschaft ins Gesicht
Und wirst dich dennoch seinem Zug bequemen,
Schon folgst du ihm und weißt es nicht.

Lin echter tiünstlerkops! Auf seinen Brauen
Liegt noch der Muse Weihekuß;

Und in den Augen wie ein Himmelsgruß
Das große Suchen und das stille Schauen.
 
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