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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 13.1897-1898

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Voll, Karl: Die V. Internationale Kunstausstellung der "Münchener Secession", [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.12047#0370

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von vr. Aarl voll.

zückt. Das Gegenteil von Breitners starker Kraft ist
Josef Israels zarte, fast elegische Delikatesse. Selbst
wenn der greise Künstler die knorrigen Seemänner
seiner Heimat darstellt, bleibt er bei seiner Weichen Auf-
fassung stehen, die uns mehr noch das^Gemüt!als den
Leib der Menschen zeigt. Der Fischer, den wir diesmal
sehen, trägt auf den Schultern den reichlichen Fang im
Korbe nach Hause; man glaubt^zu hören, was er leise
mit sich selbst spricht; zu der elegischen Stimmung paßt
das zarte Grau und das blasse Blau aufs beste. Wie
immer ist der Abstand von der holländischen Malerei zur
belgischen ''sehr weit und man kann sich für die letztere
nicht gut begeistern. Abgesehen von Courtens werden

2Y,

Frankreich ist auch Heuer an Quantität und Qualität
wieder sehr schwach vertreten. Es ist auffallend, daß
wir in München fast niemals ein gutes französisches
Bild zu sichen bekommen. Es wäre darum höchst un-
gerecht, unsere Nachbarn nach den bei uns ausgestellten
Werken beurteilen zu wollen, es steht aber zu hoffen,
daß nach Schluß des Salons würdigere Vertreter fran-
zösischer Kunst zu uns kommen. Bis jetzt müssen wir
uns ^bescheiden mit den sehr gewandten, aber durch
ihre ewige Wiederkehr allgemach auch für uns gleich-
gültiger wirkenden Arbeiten Raffaellis. Die sehr
hart und unruhig gemalten Blumensträuße, die ^virtuos
und etwas leer gezeichneten Typen aus dem niedern



wir bei den Belgiern wenig Erfreuliches finden. Fernand
Khnopff wird sehr bewundert, und besonderen Anklang
findet das kleine Mädchen, das im schwachrosa Kleid
vor der weißen Flügelthüre steht. Sogenannte „böse
Leistungen" aber sind die grimassierenden Genrestücke
von Laermans, die im vorigen Jahr in Dresden so
großes Aufsehen erregt haben. Die wilde Rotte kretin-
artiger Leute aus dem niederen Volk, die soeben in den
Kirchhof eintreten wollen, gehören zum unfeinsten und
auch zum unfreiesten, was man sehen kann. Diese Stücke
sind sehr mißglückte Imitationen der alten niederländischen
Genremalerei, die ja auch recht derb war, aber doch
immer etwas Erfreuliches an sich hatte. Das Schlimmste
aber, was uns Belgien gesandt hat, sind unstreitig die
Brustbilder Christi und des hl. Johannes von I. F.
Leempoels in Brüssel. Der Maler ist noch sehr jung,
aber hat uns schon seit Jahren mit einer Reihe von
süßen, ausgedüftelten Werken überschüttet, die das Ent-
zücken des niederen Kunstpublikums bilden, aber auf einer
ernsten Ausstellung nicht zugelassen werden sollten.

Volke, und die keck hingeworfenen Ansichten von Pariser
Plätzen, 'über die sich der unendliche Menschenstrom der
Riesenstadt wegwälzt, sind uns von früher her schon
bekannt und sagen uns nichts Neues. Aber sie sind bis
jetzt das einzige Künstlerische der französischen Abteilung.
Bsrauds Jrrengarten ist mit Recht als brutale Ge-
schmacklosigkeit bezeichnet worden, und es wird nur wenige
geben, denen das stoffliche Interesse des unheimlichen
Bildes Veranlassung giebt, sich näher mit ihm zu be-
schäftigen. Agaches Phantasie, ein süßlicher träumerischer
Frauenkopf, repräsentiert eine Seite der internationalen
Kunst, die von jeher viel gepflegt worden ist und wohl
auch stets gepflegt werden wird. Albert Aublet in
Paris und Leon Fredsric in Brüssel geben eine leider
nur zu gute Vorstellung von unkünstlerischer Plastik in
der Malerei. Das Strandbild Aublets mit den leicht-
gekleideten, üppigen Damen und Frederics Kinderbilder
zeigen in unerwünscht deutlicher Weise jedes Detail, sie
vergessen kein Haar am Kopf und keine Falte am Ge-
wand, sie vergessen überhaupt nichts als das Leben.

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