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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 13.1897-1898

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Voll, Karl: Die V. Internationale Kunstausstellung der "Münchener Secession", [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.12047#0372

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von vr. Karl voll.

der Malerei. Franz Stucks „Amazone" schließt sich
den früheren plastischen Arbeiten des berühmten Malers
würdig an. Paolo Troubetzkoys elegante Damen-
figürchen sind wie immer nicht nur chic, sondern auch
fein empfunden und ausgezeichnet in der Bewegung. Ein
ähnliches Gebiet, wenn auch nicht so sehr auf Eleganz
ausgehend, kultiviert mit sehr großem Geschick und Glück
Theodor von Gosen, dessen kleine Statuetten immer
sehr ansprechend und oft, wie der „Geigenspieler" zeigt,
solid gearbeitet sind.

Der star der plastischen Abteilung ist der Belgier
Constantin Meunier. Wir kennen hier schon einzelne
Skulpturen von ihm, aber eigentlich hat er sich uns bis
jetzt mehr als Maler und Zeichner vorgestellt, denn als
Bildhauer. Es kommt hier nicht darauf an, zu unter-
suchen, wer recht hat: seine Freunde oder seine Gegner.
Die Thatsache bleibt, daß er in die Plastik ein Moment
gebracht hat, das für sie bis jetzt so gut wie verschlossen
war, aber erschlossen werden mußte. Den Adel der
Arbeit, wie eine alte, gute Redensart sagt, will Meunier
verkörpern. Es sind meistens grobe, derbe,
knochige Arbeiter und Frauen aus den belgi-
schen Bergwerken, die ihm zur Anregung
dienen. Aber in einem häufig allzu unver-
hohlen engen Anschluß an die Antike hat er
es verstanden, die Leiber und Bestrebungen
dieser Arbeiter weit über das gewöhnliche
Maß zu erheben. Wenn er auch antike
Posen als Muster wählt, so sind z. B. seine
sitzenden Arbeiter keineswegs kopiert, sondern
sie sind selbständige Leistungen, die etwas
Neues geben. Es wird vielleicht nicht ab-
gestritten werden können, daß das Pathos
dieser düstern ernsten Statuen und Sta-
tuetten häufig nicht sehr innerlich ist, aber
in einzelnen Figuren weiß Meunier durch
rein künstlerische Mittel das Herz des Be-
schauers mächtig zu ergreifen, z. B. in der
halblebensgroßen Madonna, die sich über den
Leib ihres toten Sohnes beugt. Diese Figur
hat den Künstler viel beschäftigt: sie kommt
vor in der lebensgroßen Gruppe „Grubengas",
im Museum von Antwerpen, und in einer
kleinen vielbewunderten Replik, die hier aus-
gestellt ist. Von den zahlreichen Statuetten
sei besonders auf die eines Arbeiters hin-
gewiesen, der sich eine kleine Ruhepause gönnt
und mit dem Handrücken den Schweiß von
der Stirne wischt. Es liegt viel Natur-
wahrheit darin, aber keine gemeine, wie man
nach dem Sujet leicht annehmen könnte.

Dem Kunstgewerbe konnte in Anbetracht
der sehr beschränkten Raumverhältnisse nur
wenig Platz eingeräumt werden. Von den
sechs Ausstellern haben aber zwei uns gute
Arbeiten gebracht: Emile Galle in Nancy
stellte seine berühmten Gläser aus, die so
edel in ihren Formen und so! stark stn der
Farbe sind, ferner Geyger in Florenz lein
Bronzetintenfaß von großer aber glücklicher
Einfachheit und einen Standspiegel in Silber,
auf dessen Rückseite ein äußerst fleißig ge-
arbeitetes Bronzerelief in Klingers Manier

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eingelassen ist. Philippe Wolfers plumpe Elfenbein-
arbeiten seien hier ihrer barbarischen Wirkung wegen
erwähnt. Diese Sachen wollen nur durch die Kostbarkeit
des Materials wirken, ein Standpunkt, der mir für ein
Jahrhundert von so weit fortgeschrittener und selbst-
ständiger Kultur nicht passen will. Die Idee, einen
ganzen, kolossalen Elefantenzahn, an dessen Form künst-
lerisch nichts zu ändern ist und auch nichts geändert
worden ist, von einem Schwane liebkosen zu lassen, scheint
mir das Ungeheuerlichste zu sein, was man uns bis jetzt
im „modernen" Künstgewerbe dargeboten hat.

-—s Aphorismen, s—

Sollen, Wollen, Können — diese drei Dinge gehören in
aller Kunst zusammen, damit etwas gemacht werde.

Den Geschmack kann man nicht am Mittelgut bilden,
sondern nur am Allervorzüglichsten. Goeibs.

Luitpold von Bayern.

Ausstellung der „Secession", München, 1698.
 
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