Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 13.1897-1898

DOI Artikel:
Hartleben, Otto Erich: Der römische Maler, [2]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.12047#0374

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
von Btto Erich ksartleben.

Irgendwo in Asien hatte er sich kolossale Gelder verdient,
niemand wußte, womit. Jaedicke stellte ihn mir vor und
sagte dann zu ihm: „Hier, Herr von Levkojowitz, sehen
Sie meinen hoffnungsvollsten, talentvollsten, tüchtigsten
Schüler. Reden Sie mit ihm." Damit ließ er uns
allein. „Wollen Sie malen meine Frau?" Er hatte
nicht mal seinen Hut abgesetzt. Ich hielt es für das
einzig würdige, schweigend zu überlegen. „Ich zahle
Ihnen 1000 Mark. Wollen Sie?" Nun könnt' ich nicht
mehr. Ich erhob mich und drückte ihm stumm die
Hand. Als ich mich einigermaßen gesammelt hatte,
sagte ich: „Herr von Levkojowitz, es ist nicht meine
Art, vorschnell zuzugreifen — indes, da mich der
Meister Ihnen empfahl, will ich nicht zögern, zu ver-
suchen u. s. w." — Der Mann war glücklich. Er
setzte seinen Hut ab und erzählte mir in aller Ge-
schwindigkeit die Geschichte seiner Ehe. Er war erst vier-
zehn Tage verheiratet und erst vor sechs Wochen nach Berlin
gekommen. Sein erster Gang war in Castans Panoptikum
gewesen. Dort hatte er ein lebendes Bild „Harems-
zauber" gesehen, die junge Sultanin hatte es ihm an-
gethan: er war mit ihr soupieren gegangen und hatte sie
dann ohne Aufenthalt geheiratet.

— Ein verwegener Bursche! Nun und sie?

— Anderen Tages brachte er sie. Es war an einem
Donnerstage! Ich weiß es noch wie heute.

— Wie sah sie aus?

— Wie sie aussah? Hm. Kennst Du die Donna,
ackultera von Tintoretto? Weißt Du die mit der doppelten
Haube, mit den hochgezogenen Augenbrauen, . . ihre
Augenlider sind müde, als hätte sie geweint, aber die
großen dunklen Augen blicken gespannt auf Jesus, der
sich abgewendet hat und den alten Herrn etwas demon-
striert . . ihr Mündchen ver-
harrt dabei in alter Hold-
seligkeit . . sie weiß noch nicht
genau: ist er nun auch auf
sie hereingefallen, wird er die
andern noch einmal Herum-
kriegen? Dann ist alles ge-
wonnen! — Ich habe das
Bild erst später kennen ge-
lernt, mir aber dann sofort
eine Photographie davon ver-
schafft, die ich bisher noch
immer auch aus den traurig-
sten Mietsverhältnissen ge-
rettet habe. Wenn die Dinge
brenzlich wurden, rollte ich
sie zusammen und steckte sie
in die Brusttasche. Augen-
blicklich siehst Du sie mit
einigen besseren Stecknadeln
an meine Thür geheftet.

— Ach, das zerknitterte
Ding!

— Das zerknitterte Ding!

Jawohl: das ist sie — so
sah sie aus. Nun weißt Du's

ganz genau.-Ja, also:

ich fing an, sie zu malen.

Wenn es nach ihrem Gatten
gegangen wäre, hätte ich sie

im Tricot malen müssen. So hatte er sie kennen gelernt
und so wollte er sie ursprünglich dargestellt sehen. Aber
ich protestierte. Ich konnte ihm zwar nicht auseinander-
setzen, daß ich — ganz abgesehen von meiner privaten
Schamhaftigkeit — mich einer solchen Aufgabe einfach
physisch nicht gewachsen fühlte — aber ich erklärte ihm
kurzweg, das sei wider die Kunst. Erstens wider die
Kunst im allgemeinen, weil mir meine persönliche künst-
lerische Auffassung der gnädigen Frau, welche damals
einem religiösen Empfinden nahe kam, derartiges absolut
verböte und zweitens wider die Berliner Knust, die ich
bei meinem Meister mit heißem Bemühen studiert habe. —
Nach langen heißen Debatten, die sie, ohne ein Wort zu
sagen, lächelnd mit anhörte, gab Herr von Levkojowitz
schließlich nach — auf zwei Punkte bestand er jedoch mit
aller Entschiedenheit: auf die Arme und auf die Füße.
Sie sollte in ihrem weißen Morgenkleide in halbliegender
Stellung dargestellt werden: mit entblößten Armen und
nackten Füßen. Das letztere that mir besonders leid,
denn ich hatte es gerade in der Wiedergabe bekleideter
Füße bereits zu einer nicht gewöhnlichen Geschicklichkeit
gebracht.

Ludovico schwieg und sah mich durchdringend an.
Ich wollte gar nichts sagen — trotzdem rief er:

— Bitte, schweig'! Ich weiß, was Du sagen willst
— aber ein für allemal: ich lasse nichts auf Jaedicke
kommen! — — Also: die Sitzungen begannen. Ich
bin der Ansicht, daß man zu einem Porträt gar
nicht lange genug sitzen kann. Die Frivolität ge-
wisser Kollegen, die das Bildnis eines Menschen nach
sechs, sieben Sitzungen zusammenstreichen, ist mir ganz
unverständlich. In mir steckt Gott sei Dank noch die
alte Solidität. Auch mein' ich, darf der echte Künstler
 
Annotationen