Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 13.1897-1898

DOI Artikel:
Pecht, Friedrich: Die Münchener Jahres-Ausstellung im Glaspalast, [2]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.12047#0430

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext

Von Friedrich pecht.


Christentuin überhaupt, doch jedenfalls den Protestantismus weit überleben. Unstreitig hat die Tiermalcrci neben
und mit der Landschaft große Fortschritte gemacht und die Bilder der Kröner, Braith, Gcblcr, Henke u. a.
gehören zu den lebensfähigsten. Denn es liegt ja schon in unseren sozialen Verhältnissen, daß ein nicht geringer
Teil all dieser hier versammelten Kunstwerke mehr der Rücksicht auf den Absatz, nicht dem inneren Triebe des
Künstlers sein Dasein verdankt und dann auch regelmäßig weniger Lebenskraft zeigt. Dennoch spiegelt die heutige
Kunst, das kann man mit vollkommener Sicherheit behaupten, unser ganzes soziales Leben, die uns bewegenden
Ideen, ja unsere heutige landschaftliche Natur sogar, mit einem Reichtum und einer Mannigfaltigkeit wieder,
wie sie das sechzehnte und siebzehnte Jahrhundert — sonst unsere Lehrer — in ihrem mehr handwerksmäßigen
Betrieb nicht entfernt kannten. Jene Alten trachteten nur „schöne Bilder" zu machen oder der Kirche zü
dienen. Heute will man die uns umgebende Natur und unser wie anderer Leben in allen ihren Wandlungen
schildern und thut es auch, wenngleich im einzelnen häufig mit minderem Erfolg, weil die Aufgabe ebenso
ungeheuer viel erweitert worden und weil wir dem künstlerischen Virtuosentum, wie es die meisten Alten
trieben, innerlich abgeneigt sind. Aber unsere Nachkommen werden einst das neunzehnte Jahrhundert durch
die heutige Kunst viel genauer und vollständiger kennen und wohl auch achten lernen, als wir das sechzehnte
und siebzehnte, ja selbst das achtzehnte Jahrhundert jemals aus ihren Werken studieren konnten!

Einen ganz besonderen Reichtum unserer Ausstellung bildet nun noch die Abteilung der Skulptur,
deren Besprechung wir uns aber bis zu jener der überraschend großen Abteilungen der Aquarelle, Pastelle,
Tempera-Gemälde und Zeichnungen, so wie der heute so unendlich wichtigen vervielfältigenden Künste Vor-
behalten. Einstweilen wollen wir als besonders wertvoll nur noch das große Aquarell von Oberländer
„Noahs Weinschenke" als ein Meisterstück lustigen Humors anführen, wo der Erzvater nach dem Aussteigen
aus der den Hintergrund bildenden Arche eine köstlich gewählte Gesellschaft zum Genuß seiner neuen Erfindung
versammelt hat. Nicht ohne bereits sehr sichtbare Wirkungen, die aber nie einen widerwärtigen, sondern
nur unendlich komischen Eindruck, besonders durch die Aufhebung aller Standesunterschiede hinterlassen.

Wenn aber unsere heurige Ausstellung unleugbar einen harmonischeren und wohlthuenderen Eindruck
hinterläßt als alle ihre Vorgängerinnen, so verdankt sie das nicht sowohl ihrem größeren Reichtum an Meister-
werken ersten Ranges, die ja immer selten sind, als vielmehr dem feinen Geschmack der Ausstellung. Derselbe
offenbart sich auch darin, daß cs uns vollständig erspart wird, an die mancherlei Parteiungen erinnert zu
werden, die ja unsere Künstlerwelt bekanntlich ebenso spalten wie die politische oder wissenschaftliche, die man
aber beim Kunstgenuß selber so gerne vergißt.

4Z
 
Annotationen