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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 13.1897-1898

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Personal- u. Atelier-Nachrichten - Denkmäler - Ausstellungen und Sammlungen - Kunstlitteratur u. vervielf. Kunst - Vermischte Nachrichten
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https://doi.org/10.11588/diglit.12047#0445

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vermischte Nachrichten.

351

I^ene I>e Le§ue pbot.

N. Paris. Irene Oe Legues photographische Akt-
studien. Die praktischen Vorzüge der Photographie ließen dieselbe
bis vor noch nicht langer Zeit eigentlich ungeeignet zum selbständigen
Ausdruck künstlerischer Ideen erscheinen. Die sklavische Treue in

der Wiedergabe des
Objektes schien mit dem
Wesen der Kunst im
Widerspruch zu stehen.
Man ging soweit, an
Gemälden, welche mit
gesuchter realistischer
Genauigkeit selbst un-
wesentliche Details
ihres Sujets dar-
stellten, eine tadelnde
Kritik dadurch zu üben,
daß man behauptete,
„sie sähen wie Photo-
graphien aus". Man
wollte damit einen
Mangel an künstle-
rischer Individualität
und selbständigen
Ideen ausdrücken. Da-
zu kam noch, daß der
Photographie das be-
lebende Element der
Farbe, welches den
Hauptreiz der Malerei bildet, fehlt. Daß sich indessen auch ohne die
Vielseitigkeit der Farbenskala der Palette ästhetische Wirkungen er-
zielen lassen, beweisen die herrlichen Handzeichnungen alter Meister
und die hervorragenden Prachtstücke des Kupferstichs und des Holz-
schnitts. Die saubere Ausführung der Linien, die Gleichmäßigkeit
und Eleganz der Striche und die manuelle Geschicklichkeit in der
Führung des Griffels oder Stichels sind hierbei nicht das Wesent-
liche, sondern die richtige Verteilung von Licht und Schatten, die
Komposition und Konzeption und die Harmonie zwischen dem
Ganzen und den einzelnen Partien. Alle diese Eigenschaften, welche
eine Arbeit erst zum Kunstwerk machen, lassen sich aber auch durch
die Photographie ausdrücken. Erst jüngst haben in dieser Zeit-
schrift eine Reihe von Amateur-Leistungen Veröffentlichung ge-
funden, die von einem hohen künstlerischen Niveau zeugten und
deutlich den Wandel erkennen ließen, der sich gerade durch die
Mitwirkung der Amateure in der Benützung der Photographie
als direktes Ausdrucksmittel künstlerischer Ideen vollzogen hat.
Unter den Arbeiten der Pariser Amateure sind es in erster Linie
die Leistungen des Malers Heus Oe LäZue, welche bei ihrem
Bekanntwerden Aufsehen erregten und auch bei ausländischen
Ausstellungen verdiente Anerkennung fanden. Oe LeZus kultiviert
besonders die Aufnahme der menschlichen nackten oder drapierten
Gestalt, von der Erkenntnis ausgehend, daß der Mensch nicht
im stände ist, die Natur zu photographischen Zwecken künstlerisch

umzugestalten,
wohl aber die
menschliche
Figur zur Ver-
körperung
seiner künstle-
rischen Ideen
benutzen kann.

In Paris
fanden die Be-
strebungen Oe
Leines an-
fangs wenig
Anklang und
sogar Wider-
spruch. Er ließ
sich aber da-
durch nicht be-
irren, sondern
setzte seine Stu-
dien zuerst im
Atelier und
treue I.e veAue pbot. dann in freier

Lust fort und dieselben erregten bald in den Ausstellungen der
Londoner Photographie Society und dem Pariser Photo-Club
Aussehen, da sie in glänzender Weise die gegen dieses Genre be-
standenen Vorurteile widerlegten. Weit schwieriger wie die Atelier-
studien sind natürlich die Aktstudien in freier Lust, weil man nicht
immer leicht einen dafür geeigneten landschaftlichen Rahmen
finden wird. Die Staffage muß möglichst unbestimmt sein und
darf keine zu große Bedeutung gewinnen, da man sonst
leicht ein durch eine menschliche Gestalt belebte Landschaft statt
einer Aktstudie im Freien erhält. Oe Legue wählt daher auch
meist als Hintergrund Felsgrotten, weite Ebenen, wo die land-
schaftliche Scenerie in der Ferne erscheint, den Strand oder das
Meer. Der Kontrast zwischen der Dunkelheit der Felsen oder
der duftigen Verschwommenheit der Atmosphäre und den festen
Umrissen der im Vordergrund stehenden Gestalt, läßt dieselbe
plastischer und körperlicher erscheinen. Man kann bei der Auf-
nahme das Modell entweder eine bestimmte, vorher künstlerisch
arrangierte Pose einnehmen lassen oder dasselbe im Geiste der
vom Künstler angegebenen Idee sich bewegen oder einherschreiten
lassen und, sobald es eine harmonische Stellung bietet, die Be-
wegung Plötzlich sistieren und dann eine Aufnahme nehmen.
Letzteres Verfahren verleiht natürlich dem Bilde größere Ur-
sprünglichkeit und Naturwahrheit. Aus den beigegebenen Ab-
bildungen ist zu ersehen, welche Plastische Wirkungen, scharfe Kon-
traste und weiche Töne
sich durch das Verfahren
dieses Pariser Malers
erzielen lassen.

— Paris. Der
bekannte Altertums-
forscher Salomon
Re in ach, der Konser-
vator des Museums von
Saint-Germain, welcher
alle bisherigen Re-
staurationsversuche der
Venus von Mil seiner
abfälligen Kritik unter-
zogen hat, rückt nun
nach längerer Pause
mit einem eigenen Er-
klärungs- und Restau-
rationsversuch heraus.

Reinach sieht in der
berühmten Statue des
Louvre keine Venus,
sondern eine Amphitrite.

Er stützt seine Hypothese
darauf, daß 1874 in
Milo eine Poseidon-
Statue von gleicher
Größe, wie die angeb-
liche Venus, gefunden
wurde, und daß dieser Poseidon in ähnlicher Weise das Gewand auf
die Hüfte zurückhält, wie jene. Die Symmetrie wird dadurch voll-
ständig, daß der Gott die Linke, die Göttin die Rechte dazu ver-
wendet und daß sie sich ansehen, wenn man die letztere an die
linke Seite des Poseidon gesetzt denkt. Mit der erhobenen linken
Hand stützte sich Amphitrite vermutlich auf ein Scepter, das ihr
als Gattin des Beherrschers der Meere ebenso gut zukommt, wie
einer Venus. Der Poseidon-Kultus ist auf Milo auch sonst nach-
weislich. Dicht neben der Venus-Amphitrite und zugleich mit ihr
wurde eine Inschrift „Theodoridos", Sohn des Doistratos" ge-
funden, und der gleiche Name kehrte 1877 auf einem Sockel wieder
mit dem Zusatz „dem Poseidon". Aus Philochoros geht hervor, daß
auf der Insel Tenos, unweit von Melos (dem heutigen Milo) die
Kolossalstatuen des Poseidon und der Amphitrite standen. Es liegt
daher nahe, das gleiche für Melos anzunehmen. Die Entstehung
beider Statuen verlegt Reinach ungefähr 370 v. Ehr., worin er
mit der Ansicht der meisten Archäologen übereinstimmt. 18222)

— Die Kunstanstalt Hauser L Menet in Madrid sendet
uns als Fortsetzung zu den in Heft 20 des vorigen Jahrgangs
angezeigten eine größere Zahl spanischer Postkarten mit
reizenden Ansichten und Vignetten aus den bedeutendsten Städten
des Landes. Die Zahl der jetzt vorliegenden Sujets übersteigt
400 bereits, ein deutliches Zeichen, welchen Absatz diese Karten
finden und wie dieser Sammelsport auch außerhalb Deutschlands
verbreitet ist. Die Ausführung der Karten in Phototypie und auch
teilweise in farbigem Lichtdruck ist besonders lobend hervorzuheben.

R.ene I-.e Le§ue vbot.
 
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