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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 15.1899/​1900

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Habich, Georg: Friedrich August von Kaulbach, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.12046#0015

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-^Ö> F. A. VON KAULBACH

nur wenigen Fenstern unterbrochene, rein
architektonisch gegliederte Fassade, während
die eigentliche Front nach dem Garten zu
gelegen ist. Eine prächtig ausgemalte, von
jonischen Säulen getragene Loggia öffnet sich
nach dem Parke. Die Attika darüber ist mit
Nachbildungen antiker Plastiken geschmückt.
Die Flügelthüren des Parterres öffnen sich
nach einer Terrasse, zu der eine bequeme
Freitreppe hinanführt. Hier im Erdgeschoss
befinden sich die teils gesellschaftlichen, teils
Wohnzwecken gewidmeten Räume, von deren
Pracht unsere Abbildungen eine Vorstellung
geben: köstliches altes Gut unaufdringlich
zu gemütlichen Plauderwinkeln zusammenge-
stellt; der Plafond, welcher sich darüber-
spannt, ein Prachtstück eleganter Ornamentik.
Als Wandbekleidung dient alter Damast, viel-
fach von weichen Gobelins und von Werken
alter Meister in alten Rahmen geschmückt und
unterbrochen. Dazwischen fügt sich da und
dort unauffällig eine Skizze von des Künstlers
eigener Hand ein. Ein Stilleben als Wand-
füllung über dem Büffet, bei dem man nur
bedauern kann, dass es vereinzelt dasteht,
rührt gleichfalls von Kaulbach selbst her,
und der Plafond eines kleineren Nebenraumes
harrt, vielversprechend, noch der Fertig-
stellung durch seine Hand. Von dem ge-
wählten Geschmack und dem Reichtum dieser
Wohnungsausstattung geben unsere Abbil-
dungen eine einigermassen genügende Vor-
stellung, um aber ihre anheimelnde Wohn-
lichkeit zu ermessen, bedürfte es der vornehm
gedämpften Farbe, die den Räumen erst ihre

PRINZREGENT LUITPOLD VON BAYERN

behagliche Stimmung giebt. Was im Gegen-
satz zu anderen Künstlerwohnungen hier be-
sonders angenehm berührt, ist die Vermeidung
alles Museumsmässigen und andererseits,
trotz aller fürstlichen Pracht, die wohlthuende
Abwesenheit alles Steifen, äusserlich Re-
präsentativen; „hier bin ich Mensch, hier
darf ich's sein," dies Gefühl verliert man
nirgends. Ein kleines Heiligthum der holden
Göttin Gemütlichkeit stellt vollends das
Jagd- und Bibliothekszimmer dar, ein rechtes
Dorado für jene Bösen, die ein Glas Bier
bei der Zigarre dem Flirten und Tanzen vor-
ziehen. Die hochvertäfelten Wände sind
ringsum mit Trophäen der Waidmannskunst,
welcher der Hausherr eifrig huldigt, und
alten, tieftonigen Gemälden geschmückt, da-
rüber ein holzgewölbter Plafond mit drollig-
primitiven Darstellungen aus der klassischen
Welt der Jägerlatinität. Bevor wir in das
innerste Heiligtum des Hauses eindringen, noch
rasch einen Blick in den Garten. Rings von
Mauern abgeschlossen, hält der kleine Park eine
gefällige Mitte zwischen den strengen italieni-
schen Anlagen und dem freien englischen
Gartenstil. Nächst dem Hause, soweit die
Architektur noch mitwirkt, schliessen regel-
mässig beschnittene Bäume und Hecken ein
architektonisch gefasstes und ausgestaltetes
Brunnenbecken ein, weiter in der Tiefe
breiten sich weite, weiche Wiesenflächen, von
hohen Parkbäumen beschattet und niedrigem
Buschwerk zwanglos durchsetzt, woraus denn
hin und wieder eine Plastik oder ein Stückchen
weiss schimmernder Architektur hervorlugt.
Auf Schritt und Tritt hemmt den Fuss
hier die Erinnerung an die schönen Land-
schaftshintergründe kaulbach'scher Por-
träts, und alte Bekannte, wie die freund-
lichen Kinder auf dem reizenden „Quar-
tett" (Abb. i. H. 1 d. IV. Jahrg.) oder die
munteren Reigentänzerinnen (Abb. a. S.28
und 29) stellen sich ungerufen im Ge-
dächtnis ein.

Zu dem Atelier, das den grössten
Teil des ersten Stockwerks inne hat,
gelangt man über eine Treppe von dem,
nach der Strasse gelegenen Vestibül aus.
Dieser Raum, in den die Abb. a. S. 2
und 3 einen Blick gewähren, kündigt
so recht den Geist des Besitzers an.
Kein steifes Antichambre, sondern ein
mit behaglichem Luxus ausgestattetes
Gelass empfängt den Gast und lädt
ihn zum Verweilen, das ihm der An-
blick von mancherlei kunstreichem Ge-
rät und Schmuck aufs angenehmste ver-
kürzt. Ein mehr repräsentatives Element

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